Die mehr als neun Millionen Landwirte in Europa können auf spürbare Entlastungen ab dem kommenden Jahr hoffen. Unterhändler des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten haben sich in der Nacht zum Dienstag in Brüssel auf Vereinfachungen geeinigt. Ziel des dritten von insgesamt sechs geplanten Omnibus-Paketen ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft zu stärken. Auch ihre Bürokratielast soll im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sinken. Das war ein zentrales Anliegen der Bauern während ihrer prominenten Proteste im vergangenen Jahr.
Europäische Landwirte verbringen im Schnitt sieben volle Arbeitstage im Jahr mit der Erfüllung bürokratischer Vorgaben, hatte Agrarkommissar Christophe Hansen seine Vorschläge zum Abbau der Vorgaben im Mai begründet. Durch die nun beschlossenen Vereinfachungen könnten sie nach Schätzungen der Kommission jährlich um bis zu 1,6 Milliarden Euro entlastet werden; die Mitgliedstaaten könnten zudem 200 Millionen Euro an Verwaltungskosten sparen. Die Vereinfachungen betreffen vor allem die Verwaltungsebene, sollen aber auch im Alltag der Landwirte spürbar werden.
Besonders kleinere Betriebe dürften von den neuen Regeln profitieren. Sie können künftig bis zu 3000 Euro jährlich als pauschale Hilfe erhalten, ohne dafür umfangreiche Formulare ausfüllen zu müssen. Das sind 500 Euro mehr als ursprünglich geplant. Außerdem können sie einmalig bis zu 75.000 Euro für die Weiterentwicklung ihrer Betriebe beantragen; auch das ist ein deutlicher Aufschlag gegenüber früheren Vorschlägen. Insbesondere Biolandwirte sollen künftig weniger Auflagen erfüllen müssen, um Fördergelder zu bekommen. Für sie entfallen mehrere „GLÖZ“-Vorgaben, die für einen „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ sorgen sollen, etwa zu Fruchtfolgen oder Bodenbearbeitung, und sie gelten künftig schneller als „grün per Definition“. Auch kleinere Betriebe mit weniger als 30 Hektar Fläche sollen mehr Freiräume in der Erfüllung von Umweltstandards bekommen. Außerdem sind Erleichterungen bei den Betriebskontrollen geplant. Mitgliedstaaten sollen künftig möglichst nicht mehr als eine Vor-Ort-Prüfung im Jahr in jedem landwirtschaftlichen Betrieb durchführen. Bisher war es nicht selten ein halbes Dutzend.
Regelung zum Dauergrünland gelockert
Eine weitere Regelung, die unter Landwirten für Unverständnis sorgte, wird nun aufgeweicht. Sie betrifft Dauergrünland, also Wiesen und Grasflächen. Bisher mussten Bauern diese Flächen alle fünf bis sieben Jahre umpflügen, um den Status als „Ackerland“ zu erhalten. Künftig soll Dauergrünland diesen Status auch ohne Bearbeitung behalten. Die EU-Staaten können selbst entscheiden, ob sie zum Stichtag 1. Januar 2026 diese Flexibilität ermöglichen oder das alte System beibehalten. Diese Möglichkeit ermögliche es den Mitgliedstaaten, die Besonderheiten ihrer Landwirtschaft besser zu berücksichtigen, lobte der deutsche Europaabgeordnete Norbert Lins (CDU). Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten im Falle von Naturkatastrophen gezielt finanzielle Unterstützung leisten dürfen, um die Folgen für die Betriebe abzufedern.
Die Einigung bringe „mehr Unterstützung für Landwirte, effizientere Vorschriften für die nationalen Behörden und klarere Umweltleitlinien, damit bewährte Verfahren gefördert werden, anstatt durch Bürokratie bestraft zu werden“, teilte der zuständige sozialdemokratische Abgeordnete André Rodrigues mit. Auch im Agrarsektor kamen die Vereinfachungen überwiegend gut an. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, kritisierte allerdings, dass „eine Vielzahl landwirtschaftlicher Betriebe außen vor“ bleibe. Carolin Pagel, Politikleiterin des Ökoverbands Bioland, sieht im GAP-Vereinfachungspaket ein „gelungenes Beispiel für Bürokratieabbau“. Nun müssen Ministerrat und Parlament der Einigung noch zustimmen, bevor die Änderungen spätestens zum Jahreswechsel in Kraft treten sollen. Das dürfte aber nur Formsache sein.
Unterdessen ist Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Streit um den EU-Haushalt der Jahre 2028 bis 2034 einen Schritt auf Europaparlament und Landwirte zugegangen. Nach einem Gespräch mit Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Montag versprach sie, die Interessen der Bauern stärker zu berücksichtigen. Dänemark hat noch bis zum Jahresende die Ratspräsidentschaft inne. Konkret sollen die Mitgliedstaaten nach einem Vorschlag der Kommission die Vorgabe bekommen, mindestens zehn Prozent ihrer nationalen Pläne auf die Landwirtschaft zu verwenden, wie mehrere Medien am Dienstag berichteten. Die Verhandlungen über den sogenannten mehrjährigen Finanzrahmen werden jedoch voraussichtlich noch mehrere Monate andauern.