Aggressive Anmache – Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman zu Gunsten von Strafbarkeit von Catcalling

Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman spricht sich für eine Strafbarkeit von Catcalling aus – der aggressiven Anmache im öffentlichen Raum. Kritiker in der Union werfen der SPD Symbolpolitik vor.

Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, unterstützt den Vorstoß von Justizministerin Stefanie Hubig (SPD), sogenanntes Catcalling unter Strafe zu stellen. „Ich finde es richtig, Frauen vor aggressiver, sexueller Anmache im öffentlichen Raum zu schützen und hier rechtliche Klarheit zu schaffen“, sagte sie dem Nachrichtenportal Web.de.News am Sonntag.

Kritik von Seiten der Union, das Vorhaben sei „Symbolgesetzgebung“, wies Ataman zurück: Die Union habe sich im Koalitionsvertrag dazu bekannt, Frauen besser vor Gewalt und sexueller Belästigung zu schützen. In anderen EU-Ländern seien eindeutige verbale Übergriffe längst verboten. „Wenn wir das regeln, wäre endlich klar: Frauen mit sexistischen Kommentaren auf der Straße zu belästigen, ist auch in Deutschland verboten. Das würde Frauen auf jeden Fall helfen.“

Gleichzeitig warnte die Antidiskriminierungsbeauftragte vor einem angeblich zunehmendem Frauenhass im Internet: Jungen Männern werde vermehrt gesagt, sie sollten endlich wieder richtige Männer sein – „die stark sind, Muskeln haben und Frauen erniedrigen dürfen, die sich ihnen verweigern“. Dazu komme die Erzählung, Feministinnen seien schuld daran, dass Männer nicht mehr gewollt und gebraucht würden.

Was ist Catcalling?

Unter Catcalling versteht man eine sexuelle Belästigung ohne Körperkontakt. Die Bandbreite der Formen der Belästigung ist groß: Neben Hinterherpfeifen und anzüglichen Bemerkungen kann Catcalling auch aufdringliche Blicke, Anhupen, Hinterherlaufen, ungewolltes Filmen und Fotografieren sowie das ungewollte Zusenden von sexuellen Inhalten umfassen.

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Der Begriff stammt aus der englischen Umgangssprache und bedeutet wörtlich „Katzen-Rufen“. Ein möglicher historischer Ursprung kommt aus dem 17. Jahrhundert: Damalige Theaterbesucher drückten ihren Unmut über schlechte Vorstellungen durch „catcallen“- laute Pfiffe – aus.

Ist Catcalling strafbar?

Bislang stellt dieses Verhalten keinen Straftatbestand dar. Zudem kann in Deutschland sexuelle Belästigung nur geahndet werden, wenn ein Körperkontakt vorliegt, erklärt Rechtsanwalt Philipp Hillingmeier in Berlin auf Anfrage. Ein Großteil der unter Catcalling fallenden Äußerungen seien nach aktueller Rechtslage nicht strafbar. Allerdings kann Catcalling je nach Form und Ausmaß unter Beleidigung oder Nachstellung fallen. Wird es beispielsweise als Beleidigung gewertet, reicht das Strafmaß von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren. In anderen Ländern ist Catcalling bereits strafbar, in den Niederlanden beispielsweise seit vergangenem Jahr. Dort fallen anzügliche Sprüche unter „sexuelle Belästigung in der Öffentlichkeit“.

Wie positionieren sich die Regierungsparteien?

Die SPD will Catcalling unter Strafe stellen, Hubig prüft rechtliche Möglichkeiten für eine Gesetzesänderung. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede kann sich künftige Geldstrafen als Konsequenz vorstellen. Die Union hingegen lehnt einen neuen Straftatbestand ab und vermutet, dass er sich in der Praxis auch nur schwer durchsetzen lasse.

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Rechtsanwalt Hillingmeier zeigt sich skeptisch: „Bloße Respektlosigkeiten unter Strafe zu stellen, würde sehr wahrscheinlich gegen das Übermaßverbot verstoßen und könnte vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden.“ Zudem stehe für erhebliche, herabwürdigende Aussagen der Tatbestand der Beleidigung zur Verfügung – dieser müsse nur „konsequent angewendet werden“. Das Strafrecht als „repressives Mittel des Gesetzgebers“ sei nicht dazu geeignet, das eigentliche Problem nachhaltig anzugehen. Vielmehr hätten präventive Aufklärung und Vermeidung durch soziale Ächtung eines solchen Verhaltens mehr Aussicht auf Erfolg.

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Opfer von Catcalling sollten in der konkreten Situation in erster Linie Öffentlichkeit herstellen, sagt die Sonderbeauftragte für Gewalt gegen Frauen des Deutschen Frauenrats, Sylvia Haller, der KNA. „Frauen sollten umstehende Personen ansprechen: ‚Haben Sie das mitbekommen? Das ging mir zu weit, das war übergriffig.‘ Dann passiert oft schon viel bei demjenigen, der ein solches Verhalten an den Tag legt.“

Haller betont, dass es grundsätzlich einer guten Präventionsarbeit bedarf. Schon in der Schule müsse über Sexismus und Objektivierungen von Frauen aufgeklärt werden. So wenig, wie tatsächliches Flirten Catcalling sei, so wenig seien Ausreden wie „Warum fühlst du dich angesprochen?“ oder „Das war doch nur Spaß“ bei Catcalling akzeptabel.

KNA/coh

Source: welt.de

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