AfD und Abschiebungen: Rassismus ist in Deutschland Konsens

Es war mal wieder August in Deutschland: Man kennt keine Parteien mehr, nur noch Deutsche. Von den müden Liebknechtianern der Linkspartei abgesehen, stimmen alle nennenswerten politischen Kräfte in den Chor der Abschiebewütigen ein. Wovon NPD und Republikaner in den 1990ern noch träumten, das setzt die „Fortschrittskoalition“ durch: Kriminelle Ausländer raus! Dass Abschiebungen nicht im Strafgesetzbuch stehen, kümmert dabei genauso wenig wie die im Grundgesetz verbriefte Abschaffung der Todesstrafe. Eine Regierung, die sich nicht darauf einigen kann, Kinder nicht in Armut verwahrlosen zu lassen, beschließt in Rekordzeit, Asylbewerbern die Leistungen derart zu kürzen, dass sie zu Bewohnern öffentlicher Plätze degradiert werden.

Angeblich ist das Volkes Wille. Ein Argument, das kurioserweise in keinem anderen Politikfeld zur Anwendung kommt. „Das Volk“ will auch funktionierende Schulen, gute Infrastruktur und eine Vermögenssteuer. Doch nahezu niemandes Sorgen werden in diesem Land so ernst genommen wie die von rechten Demonstranten und Wählern. Viele von denen, die am Sonntag an die Urne traten, goutieren diese Politik – und gaben zuhauf ihre Stimme denen, die sie als geistige Urheber ausmachen. Sie trauen der AfD in vielen Politikfeldern Kompetenzen zu, vor allem aber, wenn es darum geht, Asylanwärter abzuschieben und draußen zu halten.

Der „Asylkompromiss“ markierte die Gründung der neuen BRD

Das wahltaktische Manöver der Bundesregierung ging also nicht auf. Doch die neue Härte in der Migrationspolitik erfüllt noch einen tieferen Zweck. Sie soll das Land einen. Und nichts schweißt ein Kollektiv so zusammen, wie gemeinsam begangenes Unrecht. Letztlich findet eine Wiederaufnahme der 1990er statt: Anstelle der vorgesehenen neuen Verfassung eines vereinten Deutschlands stand die Verfassungsänderung, die die Forderungen der Mordbrenner von Mölln und Rostock umsetzte: Die Gründungsakte der neuen deutschen Republik war der „Asylkompromiss“ von 1993.

Darin kulminierten die rassistische Hetze von Union und Springer in den 1980ern ebenso wie der nationalistische Taumel der Wiedervereinigung. Mit ihr wurde die Kategorie „deutsch“ wieder zur maßgebenden im Staat. Das Argument für die Teilhabe der Ostdeutschen am Wohlstand des Westens war einzig und allein, dass sie Deutsche sind. Das Argument für die Westdeutschen, sich eine unter kapitalistischen Gesichtspunkten unprofitable Bevölkerung einzuverleiben, war einzig und allein, dass sie auch Deutsche sind.

Es gilt wieder: Deutschland muss sterben

Die neue Volksgemeinschaft war die Erfüllung der Forderung der Demonstranten, die aus der Parole „Wir sind das Volk“ schneller „Wir sind ein Volk“ machten, als sie „Währungsreform“ sagen konnten, und die emotionale Entschädigung für die ökonomischen Verwerfungen des Systemwechsels: Du hast zwar keinen Job mehr, aber wir sind wieder wer!

Die Sehnsucht, in einem homogenen Staat statt in einer komplizierten Gesellschaft zu leben; Deutscher zu sein, um nicht Mensch werden zu müssen, ist bis heute lebendig – nicht nur im Osten. Die ganz große Koalition gegen Ausländer und die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen vollziehen die Versprechen der Deutschen Einheit: Eine Gesellschaft, deren Grundlage ein ethnisch definiertes Kollektiv ist. Die von der AfD angekündigte ethnische Säuberung Deutschlands wird so von den anderen Parteien ex ante legitimiert. Das bedeutet für immer mehr Menschen wieder: Deutschland muss sterben, damit sie leben können.

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