Adobe bot Milliarden: Warum sich Techkonzerne um dies KI-Start-up Synthesia ziehen

David Beckham spricht neun Sprachen. Er kann über die tödliche Bedrohung durch Malaria in verschiedenen Weltsprachen aufklären. Wirklich? Nicht wirklich. Aber im KI-generierten Video von Synthesia sieht es so aus. Da redet der englische Ex-Fußballspieler über das Thema, das ihm am Herzen liegt, tatsächlich in neun Sprachen. Das Londoner Start-up-Unternehmen nutzt dazu Künstliche Intelligenz (KI), eine Computertechnik, die Beckhams Gesichtszüge einscannt und dann künstlich animiert – und dazu seine Stimme in verschiedenste Sprachen übersetzt.

Das auf hyperrealistische KI-Videos mit Avataren spezialisierte Start-up ist eine unternehmerische Erfolgsgeschichte. Auch finanziell wirkt es wie ein Senkrechtstarter. Soeben habe es ein Übernahmeangebot vom US-Techkonzern Adobe für drei Milliarden Dollar abgelehnt, meldet die Londoner Zeitung „Times“ unter Berufung auf die Techseite „The Information“. Auch der Facebook-Mutterkonzern Meta soll sich für eine Übernahme des Londoner Start-ups interessiert haben, doch endeten auch diese Gespräche mit Absagen. Auf Anfrage der F.A.Z. zu den Berichten äußerte sich das Unternehmen nicht. Ohne Zweifel ist es aber in der internationalen Techszene sehr gefragt.

Mark Cuban, Accel und Nvidia beteiligt

Zu den frühesten Investoren zählte der US-Milliardär und Tech-Investor Mark Cuban. Vor gut zwei Jahren wurde es bei einer Finanzierungsrunde, an der sich Accel und Nvidia beteiligten, mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet. Anfang 2025 steigerte das Unternehmen seine Bewertung bei einer D-Finanzierungsrunde auf 2,1 Milliarden Dollar.

Gegründet wurde das Start-up 2017 von vier KI-Wissenschaftlern und Unternehmern, darunter der junge Informatikprofessor Matthias Nießner von der TU München, der dort das Visual Computing Lab leitet. Nießner ist inzwischen als Spezialist für Virtuelle Realitäten international geschätzt. Seine Kollegin und Ko-Gründerin Lourdes de Agapito lehrt 3D-Computertechnik am University College London. Synthesia-Vorstandschef Victor Riparbelli studierte an der Stanford-Universität.

230 KI-Figuren erstellt

In London haben sie sich zusammengeschlossen, um neueste KI-Methoden für gewerbliche Videoanimationen zu nutzen. „Unsere Mission ist es, jedem die Möglichkeit zu geben, Videoinhalte zu erstellen – ohne Kameras, Mikrofone oder Studios“, verkünden die Gründer auf ihrer Website. Mehr als 200.000 private Videoproduzenten nutzen die Programme nach Angaben des Unternehmens. Zudem habe es 60.000 Geschäftskunden gewonnen. Gut 60 Prozent der Fortune-100-Großkonzerne nutzten Video-Avatare von Synthesia.

Das Unternehmen hat 230 KI-Figuren nach realen Personen und Schauspielern geschaffen, die einfach für Videos zu programmieren sind. Neuerdings könnten einige auch in Dialogen interagieren. Es gibt dazu eine große Auswahl von zweitausend Stimmen, die Avatare können jetzt in mehr als 140 Sprachen sowie Dialekten und Akzenten reden. Über die neun Sprachen, die vor zwei Jahren aus David Beckham im Demovideo kamen, sind sie weit hinaus. Die Sprachpalette erstreckt sich über alle Kontinente. Man kann wählen zwischen Englisch, Mandarin, Hindi oder Spanisch. Auch Deutsch ist im Angebot, sogar Schweizerdeutsch.

Nur Sekunden bis zum fertigen Video

Privatleute steht eine kostenlose Basisversion zur Verfügung, die meisten Kleinkunden zahlen anfangs 14 Dollar oder 49 Dollar im Monat für bessere Versionen der Programme. Die Produktion eines KI-Videos dauert nur wenige Minuten – man habe 95 Prozent Zeitersparnis verglichen mit herkömmlichen Methoden des Filmens, sagt das Start-up.

Anfang 2024 hat Synthesia einen Video-Assistenten eingeführt, der Texte in Sprache umsetzt. Vor zwei Wochen kam Synthesia 3.0 auf den Markt, das realistisch wirkende Video-Agenten schafft, die sprechen, zuhören und sofort reagieren können. Sie interagieren wie reale Personen in einer Konversation. Vorstandschef Riparbelli gibt sich überzeugt, dass man in fünf Jahren kein Video einfach nur noch anschaut, sondern dass die Videos interaktiv werden. Eine „verrückte Idee“, sagt Riparbelli, die aber bald schon Realität werde. Unternehmen können die KI-Figuren beispielsweise in Help-Centern einsetzen oder für Werbe- und Demovideos.

KI-Avatare für Propaganda missbraucht

KI-animierte Videos können auch missbraucht werden. Sogenannte Deep-Fake-Videos sind eine Gefahr. Das Unternehmen verbietet die Nutzung seiner Technologie für Fake-News oder „nachrichten­ähnliche Inhalte“. Doch die Organisation Freedom House zeigte vergangenes Jahr, dass KI-Avatare von Synthesia in Venezuela und China für Propagandasendungen genutzt wurden. Laut einem Bericht des „Guardian“ hat auch die Militärjunta in Burkina Faso KI-Figuren von Synthesia für Propagandavideos eingesetzt. Ein junger Mann mit blauem Hemd rief im Video: „Wir müssen Präsident Ibrahim Traoré unterstützen. Vaterland oder Tod!“ Ein paar Tage später tauchte derselbe Mann auf einem X-Konto auf und behauptete, er sei Chef eines Kryptoasset-Unternehmens. Später erkannte sich ein Schauspieler aus London, der für Synthesia als Model gearbeitet hatte, in den Videos wieder.

Synthesia sagt, dass sie KI-Ressourcen und Moderatoren verwenden, um den missbräuchlichen Einsatz ihrer Software zu vermeiden. Möglichen Missbrauch der Software nehme man sehr ernst. Das Start-up gibt an, dass zehn Prozent der Mitarbeiter mit den Themen Ethik und Sicherheit der KI beschäftigt seien.

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