75 Jahre Europarat: Angriffe von lateral, Zersetzungen von medial

Es kommt nicht selten vor, dass Brüssel und Straßburg auf europäischer Ebene verwechselt werden. Europäischer Rat und EU-Kommission in Belgien, EU-Parlament und Europarat in Frankreich. Viel Europa, viel Verwirrung. Doch die Anekdoten über die Irrungen der europäischen Institutionen haben wenige Wochen vor der Europawahl einen ernsten Kern. Was macht Europa aus? Und was hält die Gemeinschaft aus, die sich mit der Europäischen Union und dem bereits vor 75 Jahren gegründeten Europarat zwei Rahmen gegeben hat, die Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigen sollen? Wenn die inneren Zersetzungen und äußeren Angriffe vielfältiger und aggressiver werden.

In der Slowakei wurde am Mittwoch ein Attentat auf Regierungschef Robert Fico verübt. Fünf Schüsse, lebensbedrohliche Verletzungen, momentan ist Fico stabil und außer Lebensgefahr. Ein Angriff, der die aufgeheizte Stimmung im Land ins Extreme kippen ließ. In Deutschland wurde SPD-Politiker Matthias Ecke attackiert und schwer verletzt. Kein Einzelfall in Deutschland. In den Niederlanden ist es dem Rechtsextremen Geert Wilders gerade gelungen, eine Regierung zu bilden. In Georgien protestieren Tausende gegen ein umstrittenes Gesetz, mit dem „ausländische Einflussnahme“ im Land abgewehrt werden soll. Und nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kämpft das Land seit mehr als zwei Jahren ums Überleben. 

Das alles ist nicht auszublenden in der prachtvollen Straßburger Oper, in der der Europarat seine Gründung und damit sich selbst feiert. Kronleuchter, rote Samtsessel, schwere Vorhänge. Klassisches Setting für einen Festakt. Aber gibt es im Angesicht all der Bedrohungen und Verrohrungen gerade überhaupt viel zu feiern? Der Kampf für die Werte Europas und damit für die Grundidee des Europarates wird nicht mit dem freundlichen Pathos eines Festaktes gewonnen werden. Aber dazu, die Wichtigkeit der manchmal so schwer zu vermittelnden Konstrukte zu unterstreichen, gehören auch immer Formalitäten.  

„Die Kämpfe sind zu Ende“

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hält die zentrale Rede der Veranstaltung, es ist Rückblick und in diesen Zeiten natürlich auch Ausblick. Schließlich soll der Europarat auch weitere 75 Jahre bestehen. „Es war in Europa und durch Europa, dass mein Land zu einer Demokratie heranwachsen konnte, einer lebendigen Demokratie“, sagt Baerbock. 

Der Europarat wurde am 5. Mai 1949 als erste der politischen Organisationen in Europa gegründet. Deutschland trat im Juli 1950 bei. Heute gehören dem Rat 46 Staaten an, darunter alle 27 Mitgliedstaaten der EU sowie die Ukraine und Georgien. Der Rat ist zuständig für 680 Millionen Europäerinnen und Europäer. Russland wurde 2022 nach dem Überfall auf die Ukraine die Mitgliedschaft entzogen.  „Die Kämpfe sind zu Ende“, wird zu Beginn der Veranstaltung historisches Audiomaterial eingespielt. Die Gründung des Europarates fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges stand für den Beginn einer neuen Zeit für Europa.  

Es kommt nicht selten vor, dass Brüssel und Straßburg auf europäischer Ebene verwechselt werden. Europäischer Rat und EU-Kommission in Belgien, EU-Parlament und Europarat in Frankreich. Viel Europa, viel Verwirrung. Doch die Anekdoten über die Irrungen der europäischen Institutionen haben wenige Wochen vor der Europawahl einen ernsten Kern. Was macht Europa aus? Und was hält die Gemeinschaft aus, die sich mit der Europäischen Union und dem bereits vor 75 Jahren gegründeten Europarat zwei Rahmen gegeben hat, die Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigen sollen? Wenn die inneren Zersetzungen und äußeren Angriffe vielfältiger und aggressiver werden.

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