Albert-Oehlen-Jubiläum: Von Alpha- solange bis Omega-Männern – WELT
Der Maler Albert Oehlen ist 70 Jahre alt geworden. Die Galerie Max Hetzler, die ihn seit Langem vertritt, wird 50 Jahre alt. Dort stellt Oehlen gerade zum 30. Mal aus. Seine Kunst ist bei Sammlern begehrt, bleibt aber im besten Sinne unerklärlich.
Ein bakteriologischer Krieg zwischen Russland und Amerika hat Los Angeles in tiefe Dunkelheit getaucht. Es gibt kaum Überlebende. Robert Neville ist immun, der Biologe beim US-Militär konnte sich ein Serum spritzen, das er selbst entwickelt hat. Jetzt ist der „Omega-Mann“, wie der Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1971 heißt, auf der Flucht vor fiesen Mutanten, die bei der Immunisierung im Kontakt mit den Bakterien doch einiges von ihrer Persönlichkeit eingebüßt haben.
An jenen Omega-Mann muss man natürlich denken, wenn man vor Gemälden aus der Serie „Ömega-Mann“ von Albert Oehlen steht. Aber zu sehr darf man sich von dem Pop-Zitat nicht verleiten lassen, um dem Maler auf die Schliche zu kommen. Die Zitate sind keine Schlüssel zum Werk. Auch nicht der griechische Buchstabe Omega: Wir erkennen dennoch bauchige Formen auf zwei Füßen.
Albert Oehlen schreibt seinen Nachnamen, der sich vermutlich von „Öl“ ableitet, weder mit schnödem „ö“ noch mit gespreiztem Ω (vorstellbar wäre es), sondern mit „oe“ und einem Dehnungs-h, der den etwas nölenden Umlaut phonetisch so schön in die Länge zieht. Aber auch das bringt einen bei der Betrachtung seiner Gemälde nicht wirklich weiter, aber es spielt mit rein – immerhin, es sind auch Ölgemälde dabei.
Albert Oehlen zeigt „Schweinekubismus“ in Berlin
Im Kunstbetrieb heute längst ein Alpha-Mann, hatte der junge Oehlen in den späten 1970ern mit dem Künstler Werner Büttner die „Liga zur Bekämpfung des widersprüchlichen Verhaltens“ gegründet. Er studierte dann bei Sigmar Polke und war mit Martin Kippenberger befreundet, nun widersetzt er sich beharrlich jeder Einordnung. Die Bezeichnung des „Neuen Wilden“ erfüllte er in den Jugendjahren mit Bravour, neoexpressionistisch nannte man seine Bilder, er selbst hat sie mal „postungegenständlich“ genannt, aber sicher nicht auch ironisch gemeint.
Was er meistens tut, ist malen, und das schon sehr ernsthaft. Es ist eine Malerei, die das Malen selbst zum Bildgegenstand macht, was schon sehr kunsttheoretisch klingt und der Maler wahrscheinlich als „albern“ qualifizieren würde. Er scheint mittlerweile immun gegen den Zeitgeist immer neuer Kunstdiskurse. Und Oehlens Kunst ist ihrerseits erfreulich immun gegen Deutungsversuche.
In der Hamburger Kunsthalle werden gerade die „Computerbilder“ der frühen 1990er gezeigt (bis 2. März 2025). Sie seien unter dem Eindruck der Betrachtung von Pixeloberflächen früher Betriebssysteme entstanden. Dass er die Serie Anfang der 2000er-Jahre fortgesetzt hat, hat dann aber weniger mit Computern zu tun als mit den selbst gemalten Computerbildern.
In Berlin wird mit neusten Werken nun gleich dreifach Jubiläum gefeiert: Albert Oehlen ist im Sommer 70 Jahre alt geworden. Seine Galerie Max Hetzler, die den Künstler seit Jahrzehnten repräsentiert, ist seit 50 Jahren in Betrieb. Sie präsentiert jetzt schon die 30. Oehlen-Ausstellung. Sammler haben darauf gewartet, sie soll bereits am Tage der Eröffnung ausverkauft gewesen sein.
Die Schau heißt „Schweinekubismus“. Womit man wieder Hinweise suchen kann. Ist es Kubismus von Schweinen? Für Schweine? Ist Schwein im übertragenen Sinne gemeint? Kubistische Elemente findet man nur im weitesten Sinne in der chaotischen Malerei: Raster, Perspektivwechsel, nahezu aufgelöste Figurationen, fast vollendete Abstraktionen. Schweine wurden nicht gesichtet.
Ömega-Männer dagegen schon. Als Motive, als „Shaped Canvases“ (eine Referenz an die Malereigeschichte der Nachkriegsmoderne), in Omega-Form zugeschnittene Bildträger, aber auch als Skulpturen aus poliertem Aluminium. Die hybriden, kopffüßig humanoiden Formen, nehmen die Ω-Figuren aus den Gemälden auf, sind aber nicht in hektischer Bewegung, sondern sitzen stumm und starr auf ihren Sockeln. Auf Werktitel wird verzichtet, „Schweinekubismus“ muss reichen, um uns Betrachter in die Irre zu führen.
„Albert Oehlen. Schweinekubismus“, bis zum 2. November 2024, Galerie Max Hetzler, Berlin
Source: welt.de