Agrarpolitik von Schwarz-rot: Wie Schwarz-Rot den Umwelt-Rollback plant

Felix
Ekardt forscht als Leiter der Leipziger
Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik sowie Professor an der Uni
Rostock zu Politikkonzepten für mehr Nachhaltigkeit. Er sucht anlässlich
seiner oft sehr kontroversen Positionen die Diskussion mit den Leserinnen und Lesern
von ZEIT ONLINE. Auch diesmal antwortet er direkt unter dem Artikel auf
Leserkommentare. Diskutieren Sie mit!

Die sich
anbahnende schwarz-rote Bundesregierung sei zu unambitioniert, wenn es um die Themen Rüstung, Digitalisierung, Staatsmodernisierung oder Subventionsabbau gehe – so
liest man gerade allerorten. Besonders problematisch aber sind die Ankündigungen von Union und SPD in einem Bereich, den aktuell nur wenige
wahrnehmen: in der Agrarpolitik. Sowohl der schwarz-rote Vertrag als auch
parallele EU-Pläne lesen sich fatal für Natur und Klima.

Landwirtschaft ist die Grundlage jeder
Gesellschaft. Und gerade bei der Ernährungssicherheit haben die agrarischen
Effizienzsteigerungen seit dem Zweiten Weltkrieg schier Unglaubliches
geleistet. Gleichzeitig ist die konventionelle, hoch industrialisierte Landwirtschaft mit Überdüngung, hohem Pestizideinsatz, großen Maschinen und der
Ausräumung riesiger Flächen eine Hauptursache für das gerade in den
Industriestaaten fatale Arten- und Ökosystemsterben.

Dabei ist hier die ökologische Situation noch dramatischer als beim Klimawandel. Die planetaren Grenzen,
also die Belastungsgrenzen für ein dauerhaft sicheres menschliches Dasein, sind
nach einhelliger wissenschaftlicher Meinung noch drastischer
überschritten. Denn ohne intakte Ökosysteme, Bodenneubildung, funktionierende
Bestäubung und funktionierende Süßwasserkreisläufe ist die menschliche Existenz langfristig bedroht.

Rund vier Fünftel der Agrarfläche produziert
tierische Nahrungsmittel, weil zur Erzeugung einer tierischen Kalorie sieben,
zehn oder sogar noch mehr pflanzliche Kalorien verfüttert werden müssen. Die Masse
agrarischer Umweltbelastung geht also aufs Konto des hohen Konsums
tierischer Nahrungsmittel. Und das ist nicht nur ein Naturschutzproblem. Die
Tierhaltung erzeugt auch Schadstoffe für Gewässer, Böden und Luft und
schadet dem Klima. Besser
wäre eine Landwirtschaft mit deutlich weniger Tieren und Pestiziden, weniger
Emissionen und mehr Naturschutz, in der öffentliche Subventionsgelder nur noch
für öffentliche Leistungen gezahlt werden. Auch aus wirtschaftlichen Gründen: Der Biodiversitätsverlust
oder die Nitratbelastung von Gewässern sind ähnlich kostspielig wie der Klimawandel.

Keine Umweltverträglichkeitsprüfung bei neuen Großställen

Die zukünftige Regierung plant aber das genaue Gegenteil: mit Unterstützung der EU-Kommission will sie die Öko-Fortschritte der vergangenen 25 Jahre zurückbauen. Die jährlich 450 Millionen Agrardiesel-Subvention
will Schwarz-Rot wieder einführen und damit klima- und biodiversitätsschädigende
große Maschinen und deren fossilen Antrieb sogar fördern. Gleichzeitig soll
die zur Begrenzung der klima- und naturschädlichen Überdüngung etablierte
Stoffstrombilanz abgeschafft werden – dabei soll sie die Überdüngung begrenzen. Ebenso beseitigt werden soll die
Umweltverträglichkeitsprüfung in Genehmigungsverfahren für Großställe. Die
EU-Verordnung gegen Entwaldung soll für deutsche Land- und Forstwirte praktisch
nicht gelten. Auch die geplante Richtlinie zur Überwachung des ökologischen
Bodenzustands, auf die sich das Europäische Parlament und die
EU-Mitgliedstaaten erst vergangene Woche geeinigt haben, lehnt Schwarz-Rot ab.
Und die für die Biodiversität verheerenden Pestizide sollen nicht etwa
begrenzt, sondern noch schneller zugelassen werden.

Schwarz-Rot
erhält für all das Rückenwind von der EU-Kommission, die sich seit Ende 2024
deutlich konservativer aufstellt als zuvor. Beide wollen die Umweltauflagen für
EU-Agrarsubventionen weiter schwächen. Sichtbar wird
das etwa im Entwurf für den sogenannten mehrjährigen Finanzrahmen der EU. Die EU
will zudem die vorhandenen Pläne für Pestizid-Begrenzungen fallen lassen. Eine positive Entwicklung gibt es immerhin: Schwarz-Rot und auch die EU wollen angesichts der geopolitischen
Lage den Lebensmittel-Selbstversorgungsgrad erhöhen. Dies setzt
aber vor allem weniger Tierhaltung voraus, weil man pflanzlich viel mehr
Menschen aus heimischer Produktion ernähren könnte – auch wenn das beide Parteien leugnen.

Was nicht so recht dazu passt: Eine Regierung unter Friedrich Merz will die Agrarexporte weiter steigern. Unstimmig
ist auch: Die neue Regierungskoalition setzt zwar in der Klimapolitik stärker
auf den Emissionshandel, wofür tatsächlich viel spricht: Er ist
ökologisch wirksamer, kostengünstiger und freiheitlicher als Verbote und Subventionen. Just die Tierhaltung will
Schwarz-Rot aber nicht in den Emissionshandel einbeziehen, obwohl
das leicht möglich wäre
. Einen ebenfalls bereits erforschten Emissionshandel für Pestizide wollen EU und neue
Regierung erst recht nicht.

Die neue Regierung würde EU-Recht verletzen

Schwarz-Rot verletzt so internationale und europäische Vorgaben zum Natur- und Klimaschutz. Die UN-Biouniversitätskonvention gebietet seit 1993, das Artensterben zu stoppen und
Naturräume wiederherzustellen – stattdessen geht der Biodiversitätsverlust
ungebremst voran, und mit der neuen Politik wird dies erst recht passieren. Auch die EU-Wiederherstellungs-Verordnung gebietet,
Naturräume auf der gesamten Landesfläche zu renaturieren. Dies wird aber
wiederum nicht gelingen, wenn man der Landwirtschaft nicht stärkere ökologische
Leitplanken vorgibt. Die nach dem
Pariser Klima-Abkommen rechtsverbindliche 1,5-Grad-Grenze
für die weltweite
Erwärmung verlangt zudem globale Nullemissionen
in wenigen Jahren, nicht erst 2050 oder gar später.
Das bedeutet jedoch eine Agrarwirtschaft mit sehr viel weniger Tieren und mit
einer Düngung und Maschinen, die ohne fossile Brennstoffe auskommen.

Die Vorhaben von Schwarz-Rot ruinieren längerfristig die Ernährungssicherheit – denn ohne intakte Böden, Wasserkreisläufe und
Bestäubungsfunktion können wir auf Dauer nicht leben. Damit bedroht die Naturzerstörung die physischen
Grundlagen der menschlichen Freiheit und damit der Menschenrechte. Und man nützt mit alledem auch noch
Russlands Staatschef Wladimir Putin, der durch einen Rollback in der Landwirtschaft weiter fleißig Dünger in die EU exportieren lässt und seine aggressive Politik damit finanzieren
kann. Folgerichtig wurde vor Kurzem die
weltweit erste Klage auf eine bessere Naturschutz-Gesetzgebung vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben.