Das CDU-Wirtschaftsprogramm im Schnell-Check

CDU und CSU setzen im Kurzwahlkampf bis zur Bundestagswahl voll auf das Thema Wirtschaft. Fast die gesamte erste Hälfte des 79-seitigen Wahlprogramms, das der F.A.Z. als Entwurf vorliegt, dreht sich um Reformen, die die stagnierende deutsche Volkswirtschaft auf Wachstumskurs bringen sollen. „Deutschland braucht wieder eine Politik für die hart arbeitende Bevölkerung – eine Agenda für die Fleißigen“, heißt es gleich zu Beginn. Klar erkennbar ist die Handschrift von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und seinem Generalsekretär Carsten Linnemann: „Leistung muss sich wieder lohnen.“ In Anspielung auf den früheren CDU-Kanzler Ludwig Erhard heißt es zudem: „Wir wollen ein Land, das wieder Wohlstand für alle schafft.“

Dieses Credo der Union materialisiert sich in niedrigeren Steuern und Abgaben, einer Rückabwicklung von Bürgergeld und Heizungsgesetz und einer „Frühstart-Rente“. Inhaltliche Anknüpfungspunkte gibt es vor allem mit der FDP, aber auch mit Grünen und SPD gibt es Schnittmengen. Die zentrale Frage – wie die Minderheiten und Mehrausgaben, die sich auf viele Milliarden Euro summieren dürften, finanziert werden sollen – spart die Union weitgehend aus. Neue Schulden jedenfalls sollen nicht das Mittel der Wahl sein: „Wir halten an der Schuldenbremse des Grundgesetzes fest.“ Die Inhalte im Einzelnen:

Steuerpolitik

Die Union bekennt sich dazu, sowohl Privatleute als auch Unternehmen finanziell zu entlasten. Zentrales Instrument soll für Normal- und Gutverdiener ein „flacherer“ Verlauf des Einkommensteuertarifs sein. Die Steuerbelastung soll mit steigenden Einkommen also langsamer steigen als bisher, der Spitzensteuersatz erst bei höheren Einkommen als heute (knapp 67.000 Euro Einkommen im Jahr) greifen. Den Einkommensteuertarif will die Union regelmäßig an die Inflation anpassen und die schleichende Steuererhöhung (kalte Progression) so ausgleichen.

Wie ernst es die Union mit den Entlastungsplänen und insbesondere dem Progressionsausgleich meint, kann sie schon vor der Bundestagswahl beweisen. Die rot-grüne Restregierung hat am Freitag mit Unterstützung der FDP ein entsprechendes Steuerentlastungspaket auf den Weg gebracht. Es wird nur mit Unionszustimmung im Bundesrat kurzfristig Realität.

Drei Punkte im Steuerkapitel dürften neben den Profiteuren vor allem der FDP gefallen. Ähnlich wie die Liberalen will die Union den Soli ganz abschaffen und Lohn für Überstunden von der Steuer befreien, um die Menschen zu Mehrarbeit zu motivieren. Außerdem bekennt sich die Union dazu, die Pendlerpauschale, von der vor allem Autofahrer profitieren, zu erhöhen. Die FDP hatte sich innerhalb der Ampel für den Erhalt der Pendlerpauschale stark gemacht.

Einen klarer Unterschied ergibt sich zur SPD, Kanzler Olaf Scholz hat gerade gefordert die Mehrwertsteuer für Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent zu reduzieren, um vor allem Geringverdiener zu entlasten. Von CDU-Politikern war er dafür gescholten worden. Die Union schreibt nun: „Wir reduzieren die Umsatzsteuer auf Speisen in der Gastronomie auf sieben Prozent“. Derzeit beträgt der Mehrwertsteuersatz dort 19 Prozent. Ökonomen hatten Überlegungen der Ampel, den Steuersatz langfristig, wie während der Pandemie eingeführt, bei 7 Prozent zu belassen, scharf kritisiert.

Gesundheit, Pflege, Sozialabgaben

Die Sozialabgaben in Deutschland steigen seit Jahren und bewegen sich in Summe auf den Negativrekord von 44 Prozent des Bruttogehalts zu. Die Union kündigt nun an, sich wieder „auf die 40 Prozent hinbewegen“ zu wollen. Interessant daran ist, dass die 40 Prozent nicht als fixes Ziel, sonder als anzustrebendes Niveau benannt werden. Ein jährlicher „Sozialstaatstragfähigkeitsbericht“ soll dabei helfen und „erforderliche Maßnahmen“ benennen. Konkrete Maßnahmen sucht man zumindest im Wahlprogramm vergeblich. Was auch für zentralen Bereiche Krankenversicherung und Pflege gilt.

„Fehlanreize im Gesundheitssystem“ sollen beseitigt werden, und die „Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung zukunftsfest“ gemacht werden. Wie das angesichts der galoppierenden Kostensteigerungen aber gelingen soll, bleibt in dem Programm offen. Zumindest ein wenig konkreter wird es in der Pflege. „Bezahlbare Pflegezusatzversicherungen können die Finanzierungslücke in der Pflege schließen“, heißt es da. Diese sollten steuerlich besser abgesetzt werden. Die konservative Partei will zudem die häusliche Pflegesituation in den Mittelpunkt und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf stärken. Sprich: Die Kosten sollen auch dadurch sinken, dass Angehörige wieder vermehrt die Pflege übernehmen. Ob hier der Praxistest gelingt, bleibt abzuwarten

Rente

Für Rentner und alle, die es demnächst werden, ist vor allem wichtig, was die CDU nicht will – nämlich ein höheres Renteneintrittsalter oder Einschnitte bei der „Rente mit 63“. Stattdessen heißt es im Programm: „An der bestehenden gesetzlichen Regelung zum Renteneintrittsalter halten wir fest. Die Regelung für besonders langjährige Versicherte mit 45 Versicherungsjahren behalten wir mit Blick auf die Planungssicherheit für Unternehmen und rentennahe Jahrgänge bei.“ Die CDU liegt damit nicht weit von der SPD entfernt, die zusätzlich das Rentenniveau auf dem aktuellen Niveau festschrieben will. Zahlreiche Ökonomen fordern dagegen Reformen, durch die das Renteneintrittsalter an die perspektivisch steigende Lebenserwartung gekoppelt werden soll.

Ein neues Element in der Altersvorsorge ist die „Frühstart-Rente“. Jedem Sechsjährigen soll der Staat, so die Vorstellung der Union, ein Depot anlegen und bis zum 18. Lebensjahr 10 Euro im Monat einzahlen. Wer volljährig ist, kann das Startkapital von 1440 Euro dann weiter aufstocken und einen Anreiz haben, neben der gesetzlichen Versicherung in ein kapitalgedecktes Produkt zu investieren. Die Rendite dieser Anlage soll steuerfrei sein, ausgezahlt werden soll das Geld, sobald der Besitzer das Rentenalter erreicht hat. Dieses Modell ist weit entfernt von der schwedischen Aktienrente, bei der 2,5 Prozentpunkte des Beitragssatzes verpflichtend in eine kapitalbasierte Rente fließen. Es wäre aber zumindest ein kleiner Schritt, um das gesetzliche System zu entlasten und stärker auf renditestärkere, kapitalgedeckte Vorsorge zu setzen.

Bürgergeld

Lange angekündigt, nun ist es schwarz auf weiß nachzulesen: Die Union plant, das von der Union eingeführte Bürgergeld in jetziger Form abzuschaffen. Ersetzt werden soll es durch eine „Neue Grundsicherung“ und verknüpft mit dem „Vermittlungsvorrang“. Sprich: Wenn jemand arbeitsfähig ist, aber nicht bereit ist, zu arbeiten, gilt er als nicht bedürftig. „Dann muss die Grundsicherung komplett gestrichen werden“. Dies ist der wahrscheinlich konkreteste und in sozialer Hinsicht härteste Punkt im gesamten Wahlprogramm. Er dürfte vor allem mit der SPD in Wahlkampf und einer möglichen Koalition zu Streit führen. Weniger strittig ist eine Reform der Hinzuverdienstgrenzen, die dazu führen soll, dass Transferbezieher nicht mit weniger Geld dastehen, wenn sie Arbeit aufnehmen oder ihre Stundenzahl erhöhen. In diesem Punkt besteht Einigkeit quasi zwischen allen maßgeblichen Parteien – passiert ist dennoch in den vergangenen Jahren wenig.

Einschnitte plant die Union für neu ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine. Sie sollen nicht mehr wie bisher Bürgergeld erhalten, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge ist aber vergleichsweise gering.

CDU-Generalsekretär Linnemann hatte die Einsparungen beim Bürgergeld im Interview mit der F.A.Z (7. November) auf zehn Milliarden Euro je Jahr beziffert. Diese Summe wird aber auch im ausformulierten Programm nicht genauer unterfüttert.

Energie und Klima

Die Union betont, EU-Vorgaben in Deutschland nicht übererfüllen zu wollen. So soll ein nationales Lieferkettengesetz beispielsweise abgeschafft werden. In einem Punkt aber weicht sie davon ab. Die Union bekennt sich wie SPD und Grüne zum Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 in Deutschland. In der EU ist 2050 das Zieljahr. Die FDP will anders als die Union vom deutschen Ziel abrücken.

Zur Ampelkoalition gibt es unterschiede, aber keine fundamentalen Unterschiede. „ideologiefrei und technologieoffen“ soll für bezahlbare Energie gesorgt werden. Das Heizungsgesetz soll rückabgewickelt werden, „emissionsarme Wärmelösungen“ (wie die Wärmepumpe) aber gefördert werden. Wie groß die Veränderungen am Ende sein werden, bleibt abzuwarten.

Netzentgelte und Stromsteuer sollen sinken, und auch der nachwachsende Rohstoff Holz stärker genutzt werden. Die Union bekennt sich zudem zur Kernenergie, allerdings in erster Linie in Form von der Erforschung „der Kernenergie der vierten und fünften Generation“, also kleine Kernkraftwerke und Fusionskraftwerke, die noch Zukunftsmusik sind. Zu einer möglichen Wiederinbetriebnahme der heruntergefahrenen Kernkraftwerke heißt es, dass geprüft werden soll, was „unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist. Diese Formulierung lässt der Union die Möglichkeit, im Wahlkampf mit einer in der Bevölkerung populären kurzfristigen Rückkehr zur Kernenergie zu liebäugeln, dann aber anders zu entscheiden. Fachleute und Energieunternehmen sehen eine finanziell konkurrenzfähige Rückkehr derzeit tendenziell skeptisch.

Unternehmen

Unternehmen dürfen im Fall einer CDU-geführten Regierung auf Entlastungen hoffen, vor allem, was Steuern und Bürokratie angehen. Die Unternehmensteuer soll auf höchstens 25 Prozent auf einbehaltene Gewinne sinken. Aktuell liegt Deutschland mit knapp 30 Prozent Unternehmensteuern in der EU in der Spitzengruppe. Donald Trump hat Unternehmen, die in Amerika produzieren, eine Absenkung auf 15 Prozent in Aussicht gestellt.

Den Begriff Bürokratie verwendet die Union in ihrem Programm 31 Mal, sie verspricht nicht weniger, als das Land vom „Bürokratiewahnsinn“ zu heilen. Gesetze sollen, wo möglich, ein Verfallsdatum bekommen, Entrümpelungsgesetze und Bürokratiebremsen („One in, two out“) anders als in der Vergangenheit endlich wirken. Einige konkrete Beispiele nennt die Union, zum Beispiel „die Arbeitszeiterfassung praxistauglich machen“. Kleinere und mittlere Unternehmen sollen größtmögliche Freiheit bekommen, ob sie weiter auf Vertrauensarbeitszeit setzen wollen – sofern es das EU-Recht zulässt. Im Arbeitsrecht soll an vielen Stellen die Schriftform mit eigenständiger Unterschrift und postalischer Übergabe auf den Prüfstand.

Haushalt

Das Thema Schuldenbremse ist in der Union heikel. Die Ministerpräsidenten der Länder plädieren für eine Lockerung, Kandidat Merz hat sich dagegen lange Zeit rigoros für ein Beibehalten der Schuldenbremse ausgesprochen. Nach und nach hat er aber mehr Flexibilität erkennen lassen – erst mit Blick auf die Schuldenregeln der Länder, dann auch auf den Bund. Im Wahlprogramm findet sich nun aber ein klarer Bekenntnis: An der Schuldenbremse soll festgehalten werden. Auch in Krisenzeiten habe sie Funktionsfähigkeit und Flexibilität bewiesen. Angestrebt wird zudem die in den Maastricht-Kriterien angestrebte Schuldenquote von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Aktuell steht Deutschland bei etwa 63 Prozent. Die Wirtschaftsleistung soll nach Vorstellung der CDU also schneller wachsen als der Schuldenstand.

Fazit

Die Union geht mit einer Reihe von Forderungen ins Rennen, die der Wirtschaft wieder mehr Schwung verleihen können, vor allem niedrigere Steuern, weniger Bürokratie und mehr Anreize zum Arbeiten. Solche angebotsorientierten Reformen werden in der anhaltenden Wachstumskrise schon lange gefordert. Umsetzbar sein werden sie aber erstens nur, wenn die CDU in einer potentiellen Koalition mit SPD oder Grünen eine dominante Rolle einnimmt und wenn zweitens zum Beispiel beim Bürokratieabbau auch wirklich Taten folgen. Auch die Ampel hat Bürokratieentlastungen auf den Weg gebracht. Die Erträge daraus waren bislang aber gering und sie wurden von neuen Regeln aus Brüssel torpediert.

Die größten Zweifel hinterlässt die Union bei der Finanzierbarkeit ihrer Reformen und bei den Entlastung von Sozialabgaben. Die Steuersenkungen für Privatleute und Unternehmen, die höhere Pendlerpauschale – das alles könnte sich auf einen zweistelligen Milliardenbetrag im Jahr summieren. Eine Gegenfinanzierung steht aus. In der Pflege- und Krankenversicherung fehlen bislang klare Konzepte, die zu einer wirklichen Entlastung der Beitragszahler bei weiter guter Versorgung führen könnten. In der Rente scheut die Union Einschnitte bei ihrer Kernklientel, die Frühstart-Rente ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Ein Wahlprogramm also, von dem viele etwas haben und das wenigen wehtut. Ein Programm, mit dem man womöglich Wahlen gewinnt – aber wirtschaftlich nicht für eine Zeitenwende sorgt.