Das sind die 20 besten Pop-Songs des Jahres 2024
20
MJ Lenderman – Wristwatch
Der Indie-Star des Jahres, Jake Lenderman, fasziniert mit einer ganz eigenen Stimme. Auf seinem vierten Album Manning Fireworks nutzt er sie, um eine Reihe von traurigen Männern zu porträtieren, die sich zwischen Eric-Clapton-Platten und coolen Gadgets einnisten, um ihre Männlichkeit zu beweisen – erfüllt von dem müden, spürbar verzweifelten Gefühl, dass ihr Tag vielleicht endlich gekommen ist. Es sind Figuren, die in den Händen des Komikers Tim Robinson zu einem absurden Albtraum verkommen würden, aber bei Lenderman bekommen sie eine ganz eigene Art von Pathos: Der Protagonist von Wristwatch hat einen neuen technischen Zeitmesser, der Kompass, Handy, Taschenmesser und Megaphon ist … der „mir auch sagt, dass ich allein bin“. Der niedergeschlagene Absturz mit E-Gitarre und Pedal Steel – was wie ein eher erdverbundenes Magnolia Electric Co klingt – schwankt zwischen erdrückendem und hellem Sound, wobei weder die Tragödie noch die Hoffnung jemals ganz die Oberhand gewinnen. Aber Lendermans einzigartige Stimme setzt sich durch: Wer sonst wäre in diesem Jahr auf die Zeile gekommen: „I got a houseboat docked at the Himbo Dome“?
19
Clairo – Sexy to Someone
Clairos Album Charm ist eines ihrer besten, und der Song Sexy to Someone ist vielleicht der charmanteste Moment auf dem Langspieler. Der mit dem Dap-Kings- und Lee-Fields-Kollaborateur Leon Michel aufgenommene, sanft eindringliche Vintage-Soul bietet die Kulisse für einen stabilen, witzigen und ironischen Song darüber, wie es ist, wenn man die Lust auf Sex an die Spitze der eigenen Bedürfnishierarchie stellt: „Sexy to somebody, it would help me out / Oh, I need a reason to get out of the house.“
18
Lady Gaga – Disease
Nach dem Flop von Joker: Folie à Deux und dem dazugehörigen Album mit Big-Band-Standards hat Gaga mit dieser triumphalen Rückkehr zu ihrem Electro-Pop-Sound diese Peinlichkeit wie mit dem Brutzeln eines Fleischkleides weggefegt. Der bösartige Beat könnte von Gesaffelstein oder Justice stammen (tatsächlich ist Cirkut beteiligt, der bei Charli xcx‘ Brat eine wichtige Rolle spielte); der Track, der wie ein geiles Frankenstein-Monster vorwärts taumelt, passt perfekt zu Gagas ironisch-campiger Reihe von Metaphern für psychosexuelle Krankheiten.
17
Yaeji – Booboo
Die koreanisch-amerikanische Produzentin schaffte 2017 den Durchbruch mit Raingurl, einem Underground-Clubhit, der von ihren Skipping-Chant-Vocals belebt wurde. Danach erweiterte sie ihren Sound massiv in Richtung progressiver elektronischer Pop, kehrte aber mit Booboo zu ihren Wurzeln zurück. Mit einem befriedigenden Jersey-Club-Beat ist es ein Song für und über den Club, in dem sie „die ganze Nacht headbangt … find me at the front right“. Aber es ist nicht alles Verlassenheit – sie interpoliert Raingurl, während sie über die Wachstumsschmerzen zwischen ihren beiden Dance-Hits nachdenkt.
16
Beyoncé – Texas Hold ’Em
Pop-Country-Crossover war eines der Themen des Jahres. Shaboozeys A Bar Song (Tipsy) und Post Malones und Morgan Wallens I Had Some Help zählten darunter, aber Beyoncé war die erste, die reitend das Gatter verließ und mit Texas Hold ‚Em ihre erste Nummer 1 in Großbritannien seit 2008 platzierte. Mit Banjos und einem dumpfen Beat, der an Cowboystiefel erinnert, die auf staubigem Boden stampfen, ist der Song authentisch und bei allem Superstardom hat Beyoncés entspannter, schnackiger Gesangsstil fast etwas Heimeliges an sich.
15
Kassie Krut – Reckless
Es gibt nur wenige coolere Moves, als mit einem Manifest-Song zu beginnen. Selbst wenn man Eve Alpert und Kasra Kurt nicht von ihrer früheren Band, den Philly-Math-Rockern Palm, kennt, überzeugen sie schnell und schaffen ein schlüssiges Bild. Alperts Songtext über das schnelle, freie, beste und gemeine Leben verortet sich irgendwo zwischen Coco & Clair Clair und Charli xcx; der brachiale Drumbeat, das Industrial-Schaudern und die schräge Pop-Sensibilität erinnern an Peaches und die frühen Micachu and the Shapes. Es ist die hypnotische Nonchalance von Alperts Gesang inmitten der Unstimmigkeiten, die Reckless so verführerisch machen: Sie klingt unantastbar, aber das hält uns nicht davon ab, zu versuchen, eine Beziehung zu ihr aufzubauen. „Never look back“, singt sie, „There’s a runner in me.“
14
Ariana Grande – We Can’t Be Friends (Wait for Your Love)
Mit Leichtigkeit der größte Hit von Grandes Album Eternal Sunshine, und obwohl es nicht die kompositorische Originalität anderer Songs hat – wie z. B. The Boy Is Mine mit seinem exquisiten, zeitlich augmentierten Refrain – macht es das mit intensiver Melancholie wieder wett. Der Song ist eindeutig Robyns Elektro-Pop-Hymnen zum Thema Herzschmerz geschuldet, hat aber einen sanfteren Anstrich. Grande sagte, sie wolle, dass „die Leute daraus machen, was sie wollen“. Es könnte sich um eine Beinahe-Romanze handeln, aber die interessantere Lesart ist, dass es sich um Grandes Beziehung zu den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung handelt: „But I don’t wanna feed this monstrous fire / Just wanna let this story die … Me and my truth, we sit in silence.“
13
Waxahatchee – Right Back to It (ft MJ Lenderman)
Right Back to It ist vielleicht das perfekteste Porträt desssen, wie es ist, die komplizierte Hälfte einer Beziehung zu sein. Diejenige, die dazu neigt, sich selbst zu sabotieren, indem sie an sich zweifelt und dennoch Hilfe ablehnt. Katie Crutchfield singt, dass sie immer „auf eine Bombe wartet“, die nie kommt, während ihr Partner seine „Liebe auf einen Blankoscheck geschrieben hat“ und die Leichtigkeit eines „nie endenden Songs“ trägt. Es ist teilweise ein Klagelied über das eigene Wesen, das man gerne überwinden möchte. Obwohl es eigentlich eher ein Liebesbrief an die Andersartigkeit ist und an die Art von Partner, die einem den Raum gibt, zu lernen, wie man sich selbst gegenüber nachsichtig ist. In einer Hinsicht hat Crutchfield diese Leichtigkeit auf jeden Fall im Griff: Die zeitweise ineinandergreifenden Gitarren- und Banjo-Elemente des Songs, gepaart mit ihrer lebendigen Phrasierung, sind absoluter Balsam für die Seele.
12
Kim Gordon – Bye Bye
Bye Bye ist im Wesentlichen eine Packliste der gehobenen Klasse, die mit Kim Gordons typisch verführerischem Hauteur beschworen wird: Designerkleidung, homöopathische Mittel, „Pyjamas – silk“. Aber das muskulöse industrielle Getöse und das scharfe, stechende Quietschen, das ihren Koffern zugrunde liegt, deuten darauf hin, dass sie weniger für ein Luxusresort als für eine Art Koje oder einen Raubüberfall unterwegs ist, und erinnern an die Heldinnen von Spiel dein Spiel, Alice lebt hier nicht mehr, Thelma und Louise oder, noch düsterer, Eine Frau unter Einfluss. Wo auch immer sie hingeht, nimm es als Zeichen, dass du nicht mitkommen kannst.
11
The Cure – Alone
Die erste Singleauskopplung aus dem Album Songs of a Lost World war die erste neue Musik von The Cure seit 16 Jahren, und sie hatte einen angemessen großen und stattlichen Auftritt. Im Gegensatz zu Popsongs, die den Refrain in den ersten Sekunden ankündigen, damit man nicht auf „Skip“ drückt, setzt Robert Smiths Gesang erst nach dreieinhalb Minuten ein, während die Band einen symphonischen, langsam stotternden Groove aufbaut. Dann erhebt Smith einen Toast auf das Ende: der Kunst, der Natur, des Idealismus, der Kinder, die wir einmal waren. Dieser Song erkennt an, dass unsere Welt im Sterben liegt, oder zumindest unsere Version davon – und doch erinnert uns seine entschlossene Schönheit daran, dass wir immer noch etwas Sinnvolles schaffen können.
10
Kendrick Lamar – Not Like Us
Vergessen Sie Gladiator II – der größte Mann-gegen-Mann-Kampf des Jahres in der Unterhaltungsindustrie fand in diesem Frühjahr zwischen Kendrick Lamar und Drake in ihrem bemerkenswert hitzigen Beef-Disput statt, der über mehrere Runden, ergo Songs ging. Der Todesstoß für Drake war Not Like Us – nicht nur, dass der Beat von DJ Mustard den Song zu einem der seltenen Diss-Tracks machte, zu denen man tanzen konnte, auch Lamars Darstellung von Drake als kulturellem Blutsauger war glaubwürdig, während die Behauptungen, er habe sich an jungen Mädchen vergangen, auch das waren, was jeder glauben wollte: „Tryna strike a chord and it’s probably A minor“ wurde zur meistzitierten Zeile des ganzen Spektakels. Drake wies die Vorwürfe zurück: „Only fuckin‘ with Whitneys, not Millie Bobby Browns / I’d never look twice at no teenager“ war eigentlich eine beeindruckend referenzreiche Erwiderung, aber da war er schon wieder in die Ecke gedrängt worden und Lamar brauchte sich nicht mehr um eine Antwort zu kümmern.
9
Nick León & Erika de Casier – Bikini
Nach einer Reihe von Edits und Koproduktionen haben sich der DJ aus Miami und die portugiesisch-dänische Produzentin endlich zusammengetan: und zwar mit einem strandbetonten Track, der passenderweise auf dem Primavera-Festival in Barcelona debütierte. Dieser tranceartige Dembow-Knaller baut sich dynamisch auf. Der Song suggeriert einen Blick, der auf die Grenzen des Horizonts fixiert ist und auf das Erscheinen einer/s Geliebten wartet. Der Refrain – „Meet me at the beach / It’s me in the bikini“ – ist ein Ohrwurm; die Balance zwischen traurig und sexy ist fast schon komisch.
8
Addison Rae – Diet Pepsi
Es war ein schwieriges Jahr für die amerikanische Fast-Food-Industrie. So einfache Vergnügungen wie koffeinhaltige Getränke und mit Käse belegte Pizzen wurden von einigen der dreistesten jungen Popstars in mutwillige Metaphern für sexuelle Aktivitäten verwandelt. Chappell Roan will es „heiß machen wie Papa John“. Sabrina Carpenter will „Mountain Dew it for ya“. Und während die einstige TikTok-Tänzerin Addison Rae tatsächlich behauptet, sie wolle sich mit etwas Diet Pepsi erfrischen – das sich kaum von der Verunglimpfung durch Lana Del Rey vor zwölf Jahren erholt hat – legt sie fest, dass sie währenddessen „auf seinem Schoß sitzen“ wird. Gepaart mit einem extrem gehauchten, süchtig machenden Slow Jam, der Lana nach Sauerstoff schnappen lässt, bekommt man den Eindruck, dass es sich bei dieser großartigen amerikanischen Erfrischung tatsächlich um eine Art geiles Hors d’oeuvre handeln könnte. Du liebe Zeit! Trotzdem ein toller Tonartwechsel.
7
Nilüfer Yanya – Like I Say (I Runaway)
Es ist schwer, einen herausragenden Song aus Nilüfer Yanyas drittem Album My Method Actor herauszupicken, denn das Ganze ist von einer hitzigen, zerrissenen Stimmung geprägt. Aber Like I Say (I Runaway) ist ein großartiges Beispiel dafür, was für eine idiosynkratischer Songwriterin die stets brillante Yanya geworden ist. Der dritte Song auf dieser Liste, in dem es darum geht, sich aus dem Staub zu machen (neben Kassie Krut und Kim Gordon), nähert sich dem Thema auf schwer fassbare Weise: In den coolen Strophen mischen sich die Gespenster des Trip-Hop und die schwerfällige Akustik von Radiohead. Die sich windende, statische Wucht des Refrains kracht mit dem Gewicht der Gefühle und der Ungewissheit, vor denen sie davonläuft, und treibt eine fesselnde, verzweifelte Gesangsperformance an.
6
Fontaines DC – Starburster
Korn waren der unwahrscheinliche Prüfstein für Starburster, die neue Single von Irlands bester Band, und sie haben beide Seiten der Rap-Rock-Gleichung perfekt getroffen. Das Schlagzeug schlägt wie ein Boom-Bap-Beat, und Grian Chatten hat den unerbittlichen Flow eines kampferprobten MCs, der surrealistische Prahlereien von sich gibt („I got a shadow like a .58 calibre / I wanna move like a new salamander“) und in einem von einer Panikattacke inspirierten Song kräftig inhaliert. Der Rest der Band gibt ihm den Raum, den er braucht, und sorgt für Spaghetti-Western-Twangs und einen seltsamen, verträumten Mittelteil, der wie die plötzliche Rückkehr der Klarheit ist – nur um dann wieder ins Chaos zu stürzen.
5
Billie Eilish – Birds of a Feather / Lunch
Einige dachten, dass Eilishs Stern nach ihrem berühmt-berüchtigten zweiten Album Happier Than Ever schwinden könnte, aber das wurde durch den Erfolg des Nachfolgealbums Hit Me Hard and Soft völlig ausgelöscht, und Birds of a Feather wurde ein riesiger Welthit. Eilish macht unverblümte Liebeserklärungen zu einem zarten Beat, der so weich wie Schnee ist – aber diese Romanze ist zerbrechlich, da ihr/e Liebhaber:in sich nicht sicher ist und Eilishs Geduld reißt: „You’re so full of shit / Tell me it’s a bit / Say you don’t see it, your mind’s polluted / Say you wanna quit, don’t be stupid.“ Viele Stimmen gab es auch für Lunch, ihre rasante, Ska-angehauchte Ode an eine ganz besondere Art von Ernährung, die dem unruhestiftenden Sound, mit dem sie ihren Durchbruch hatte, eine erwachsene Note verleiht.
4
Jade – Angel of My Dreams
Die Girls–Aloud-Producergenies Xenomania haben nur ein einziges Mal mit den Nachfolgern der Girlband Little Mix zusammengearbeitet, aber ihr wilder Frankenstein-Stil (sie kreieren Songs oft aus den Überresten verschiedener anderer Tracks) fühlt sich an wie das Mutantenblut, das durch die erste Solo-Single des ehemaligen Little-Mix-Bandmembers Jade Thirlwall fließt. Der Sprung vom massiven Mariah-Refrain zu den knurrenden Bloghouse-Strophen und einem weiteren, mit Helium gefüllten, beschleunigten Refrain fühlt sich so weit entfernt von Fokusgruppen-Pop an, wie es nur möglich ist; eher wie eine durchgedrehte Nacht mit deinen chaotischen Freunden in voller Ekstase und im freien Fall.
3
Charli xcx – Girl, so confusing ft Lorde / Von dutch / Guess (ft Billie Eilish) / 360
360 passt ganz gut: Die große Auswahl an Brat-Tracks, Brat-Remixes und Es-klingt-zwar-ganz-anders-aber-ist-immer-noch-brat-Tracks, für die unsere Autoren gestimmt haben, spiegelt Charli xcxs wilde Bandbreite in einem Jahr wider, das oft zu sehr auf einen einzigen sauren Grünton reduziert wurde. „I set the tone, it’s my design“, spottete sie in weiser Voraussicht in dem Song 360. Das Guess-Redux mit Billie war schrill, Von dutch unapologetisch zickig. Aber unser Top-Brat-Song, Girl, so Confusing in der Version mit Lorde, umspannte eine ganz eigene Welt der Emotionen und verwandelte Charlis Originalsong über ihre Ängste vor den Absichten einer Freindin in einen wahnsinnig bewegenden Moment der Auflösung zwischen zwei Sängerinnen, die, wie sich herausstellte, nicht nur die gleichen Haare haben, sondern auch eine ganze Menge Selbstzweifel und gegenseitige Bewunderung gemeinsam. Niemand hat es dieses Jahr so gemacht wie sie.
2
Sabrina Carpenter – Espresso
Von Tinashes „can somebody match my freak“ bis zu Charlis „bumpin‘ that“ werfen clevere Texter immer häufiger ein Auge auf potenzielle Memes – und niemand hat das besser gemacht als Sabrina Carpenter, deren lächerlich zitierfähige Refrainzeile „that’s that me espresso“ Syntax-Puristen erzürnte und alle anderen verzauberte. Tatsächlich sind die Texte durchweg ein Vergnügen – „walked in and dream-came-trued it for ya“, „I can’t relate to desperation / My give-a-fucks are on vacation“ – obwohl ihre luftige Zuversicht erstmal eine passende Stimme brauchte. Die hatten sie mit Carpenter gefunden. Der Song stolziert lässig, als wäre er gewöhnt, Köpfe zu verdrehen. Und nach einer Welle des oft steifen Disco-Revivals brachten die schmachtenden Funk-Licks den Song erst richtig in Schwung. Am Ende ist es weniger ein Koffein-Hit als ein Cocktail-Rausch.
1
Chappell Roan – Good Luck, Babe!
Einmal gehört, wird man es nicht mehr los: Die eröffnenden Synthies von Good Luck, Babe! klingen ein bisschen wie Wham!s Last Christmas – und wie George Michael weiß auch Chappell Roan, dass es ein Irrweg ist, sein wahres Ich zu verleugnen. Bevor sie Chappell Roan war, war sie Kayleigh Rose Amstutz, eine verschlossene, traurige Singer-Songwriterin, die genau dann fallen gelassen wurde, als sie gerade dabei war, ihren Sound zu finden. Der Song, der sie dorthin führte, war Pink Pony Club, ein Schläferhit, der ein wahrhaft Freddie-würdiges „Mama!“ mit einer Geschichte darüber verband, wie sie sich selbst – das heißt die Roan-Persona – in einem Queer-Club in Hollywood fand. Es war der erste von vielen tiefgründigen Tracks, die Roan und ihr Produzent Daniel Nigro für ihr Debütalbum The Rise and Fall of a Midwest Princess produzierten, das im vergangenen September erschien. Das war ein weiterer Schläferhit, dessen Zündschnur in diesem Frühjahr durch zunehmend virales Material von Roans krawalligen Liveshows und diese neue, nicht auf dem Album enthaltene Single über eine vergebliche Affäre mit einem Mädchen, das beteuert, heterosexuell zu sein, richtig entflammt wurde.
Auch andere Einflüsse sind in Good Luck, Babe! deutlich zu erkennen. Roan hat die grobschlächtige stimmliche Ruppigkeit von Cyndi Lauper, die stentorische Beherrschung der Hounds-of-Love-Ära Kate Bushs, das High-Goth-Drama von Shakespears Sister, eine kabarettistische Ohnmacht, die so perfekt ist, dass man sich die falsche Träne vorstellen kann, die an ihrem Augenwinkel klebt – aber es ist auch ihre ganz eigene Kreation, ein turmhoher Schichtkuchen aus Frustration, Festlichkeit und Wut, der eine Million Wiederholungen lohnt. In der Strophe ist sie die verzweifelte Närrin, die sich verarschen lässt, aber im Refrain warnt sie ihre Angebetete, dass sie, so sehr sie sich auch anstrengen mag, es niemals schaffen wird, die Sisyphusarbeit zu leisten, unterstützt von einem vollen, himmlischen Chor, der suggeriert, dass die Engel absolut auf Roans Seite sind. Ihre schiere Existenz – und die totale Dominanz von Pop in diesem Jahr – sind der Beweis dafür, dass sie genau weiß, wovon sie spricht. „You know I hate to say, but: I told you so!“, brüllt sie. Wir glauben nicht, dass sie es überhaupt hasst, so etwas zu erzählen.