Urteil stärkt Urheberschutz von Vitra
„Details sind nicht bloß Details. Sie machen das Produkt aus“, zitiert der Möbelhersteller Vitra auf seiner Website das Ehepaar Charles und Ray Eames. Auch Jahrzehnte nach dem Tod der beiden weltberühmten amerikanischen Designer verbindet Vitra, ein Hersteller von Büro- und Wohnmöbeln aus Birsfelden in der Nähe von Basel, eine enge Beziehung mit den Eames.
Das Schweizer Unternehmen produziert zahlreiche Designklassiker, die auf Eames-Entwürfen basieren. Zudem besitzt Vitra die geistigen Eigentumsrechte an den Stühlen der amerikanischen Designer, wie etwa dem Verkaufsschlager „Dining Sidechair Wood“, der sogar als Kunstwerk im Museum of Modern Art in New York zu sehen ist.
Günstiges Angebot der Konkurrenz
Der Markterfolg im Hochpreissegment – aktuell bietet Vitra einen „Dining Sidechair“ in der Grundausstattung für 490 Euro an – ist nicht ohne Nachahmer und mögliche marken- und urheberrechtliche Probleme geblieben: Kwantum , ein Filialist für Inneneinrichtung, Baustoffe und Möbel aus den Niederlanden, bot in seinen Filialen einen „Paris Stool“ an, der optisch dem Eames-Stuhl nachempfunden und deutlich günstiger ist.
Sehr zum Ärger der Schweizer. Von 2014 an verklagte Vitra den niederländischen Konkurrenten wegen Urheberrechtsverletzung auf Unterlassung, Herausgabe der Paris-Stühle zwecks Vernichtung und Schadenersatz. Kwantum vertrat vor Gericht jedoch die Auffassung, dass die auf Vitra übergegangenen Urheberrechte nicht zu beachten seien. Das niederländische Möbelhaus berief sich dabei auf die „Berner Übereinkunft“, einen völkerrechtlichen Vertrag zum internationalen Schutz von Kunstwerken; die teilnehmenden Staaten (seit 1998 auch die USA) haben die Schutzdauer des Urhebers längst auf 70 Jahre nach dessen Tod festgelegt.
Der Rechtsstreit landete vor dem Obersten Gerichtshof der Niederlande, der seinerseits den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg mit mehreren Fragen befasste – insbesondere mit der Vereinbarkeit des Unionsrechts mit der Berner Übereinkunft, da das Ehepaar Eames als ursprüngliche Urheber nicht Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaats waren. Zudem gelte nach dem völkerrechtlichen Vertrag für Werke der angewandten Kunst das Prinzip der Gegenseitigkeit: Wenn also der „Dining Sidechair Wood“ in den USA nur den geringeren Schutz als Gebrauchsmuster genieße, müsse dies umgekehrt auch für die Vitra-Stühle in der EU gelten.
Dem folgte der EuGH in seinem Urteil vom Donnerstag jedoch nicht. Innerhalb der EU gelte das Prinzip der Gegenseitigkeit nicht, erklärten die Luxemburger Richter. Vielmehr seien die Mitgliedstaaten durch eine Richtlinie verpflichtet, Kunstwerke „unabhängig von ihrem Herkunftsland oder der Staatsangehörigkeit ihres Urhebers“ zu schützen. Änderungen könne nur der EU-Gesetzgeber vornehmen (Rechtssache C-227/23).