Parteien: Ein Verbotsverfahren gegen die AfD ist derzeit nicht sinnvoll – WELT
Abgeordnete verschiedener Parteien wollen mit einem Gruppenantrag ein Verbot der AfD vorantreiben. Doch so einfach ist die Sache nicht. Im Umgang mit dieser Partei ist Wachsamkeit und politische Klugheit gefordert.
Es gibt gute Gründe, die AfD verbieten zu wollen. Sie ist in Teilen rechtsextremistisch – das allein, zumal in diesem Land mit dieser Geschichte, ist Anlass genug, alle Kräfte darauf zu richten, ihre Etablierung als tolerierte politische Kraft zu verhindern. Doch so einfach ist die Sache nicht.
Denn die AfD ist zugleich eine demokratisch legitimierte und durch das Volk gewählte Partei, die ihre Macht auf legalem Wege gewonnen hat. Diese Macht nutzt sie nun aber zunehmend offensiv, wie zuletzt im Landtag von Thüringen, um die Demokratie, ihre Verfahren, ihre Institutionen, ja ihre gesamte politische Ordnung von innen heraus auszuhöhlen.
Darin liegt die eigentliche Gefahr der AfD. Deshalb – und nicht etwa, weil alle Parteien außer der AfD den Wählerwillen nicht akzeptierten – ziehen die bürgerlichen Parteien eine rote Linie und schließen jedwede Koalition mit der AfD aus.
So gesehen wäre es nur konsequent, ein Verbot der Partei anzustreben. Nun haben einige Abgeordnete aus den Fraktionen der Union, SPD, Grünen und Linken einen entsprechenden Gruppenantrag auf Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD veröffentlicht. Er soll Anfang November in den Bundestag eingebracht werden, wenn abzusehen ist, dass sich hierfür auch eine parlamentarische Mehrheit findet.
Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Zu groß sind die rechtlichen Lücken und Unwägbarkeiten eines solchen Verfahrens, als dass sich dafür genügend Abgeordnete gewinnen ließen. Würde das Verbotsverfahren scheitern, könnte man der AfD keinen größeren Gefallen tun.
Trotzdem ist es gut, dass die Debatte über ein Verbot dieser ultrarechten Partei neuen Aufwind erhält. Denn sie legt offen, woran die deutsche Politik gegenwärtig krankt. Drei Lehren sind daraus zu ziehen.
Erstens: Politische Gefahren lassen sich nicht – oder zumindest nicht allein – durch Verbote eindämmen. Selbst wenn ein Verbotsverfahren Aussicht auf Erfolg hätte, würde es noch Jahre dauern, ehe es in Kraft tritt. Bis dahin brächten die etablierten Parteien Wähler und Sympathisanten der AfD noch mehr gegen sich auf, da diese ein Parteiverbot kaum anders interpretieren könnten denn als Verbot ihres demokratischen Willens. Bei Zustimmungswerten von über 30 Prozent wie in Sachsen und Thüringen ist das keine Lappalie, die zum Schutz der Verfassung vernachlässigt werden könnte.
Zweitens: Ein Verbot würde keines der politischen Probleme lösen, durch welche die AfD überhaupt an solcher Stärke gewinnen konnte. Viele Bürger fühlen sich von den etablierten Parteien nicht mehr verstanden und repräsentiert.
Etablierte Parteien müssen sich mehr um die Menschen kümmern
Nichts wäre gewonnen, gäbe es die AfD nicht mehr, aber dafür eine hohe Anzahl an Bürgern, die das Vertrauen in die Demokratie vollends verlören. Die etablierten Parteien müssen einen Weg zurück finden zu den Menschen, sie müssen sie neu verstehen lernen und ihre Politik besser vermitteln.
Drittens: Dass die Hürden für ein Parteiverbot in Deutschland so hoch sind, zeugt von der Widerstandsfähigkeit der Verfassung. Es ist unlauter, ihre Auslegung so zu verdrehen, als ginge es beim AfD-Verbot darum, politische Meinungen zu unterdrücken – und nicht etwa darum, die Demokratie vor extremistischen Kräften zu schützen.
Ein Parteiverbot ist das schärfste Schwert des Rechtsstaates. Wenn es nicht sofort angewendet werden kann, bedeutet das aber nicht, von der AfD ginge keine politische Gefahr aus. Im Umgang mit dieser Partei ist Wachsamkeit und politische Klugheit gefordert. Wenn die neu entfachte Debatte allein das in Bewusstsein brächte, wäre schon viel gewonnen.
Source: welt.de