Intel stoppt Fabriken in Magdeburg

Intel legt seine groß angekündigten Investitionsvorhaben in Deutschland vorerst auf Eis. Der amerikanische Halbleiterkonzern kündigte am Montagabend an, er wolle die geplanten beiden Chipwerke in Magdeburg um ungefähr zwei Jahre aufschieben. Wie Vorstandschef Pat Gelsinger in einem Brief an die Mitarbeiter schrieb, geschehe dies „auf Basis der erwarteten Marktnachfrage“. Auch ein neues Werk in Polen soll sich um zwei Jahre verzögern. Intels Fertigungsstandort in Irland, wo die Kapazitäten kürzlich aufgestockt worden seien, solle „auf absehbare Zeit“ das führende europäische Produktionszentrum des Unternehmens bleiben. An Intels Bauprojekten auf dem amerikanischen Heimatmarkt soll sich dagegen nichts ändern.

Der Chipgigant hat die Investitionen in Magdeburg 2022 bekannt gegeben, ursprünglich hieß es, der Bau der beiden Werke solle 2023 beginnen, und die Produktion solle 2027 anlaufen. Das Projekt hat sich ohnehin schon verzögert, zuletzt wurde mit einem Baubeginn nicht vor dem nächsten Jahr gerechnet. Nach bisherigen Planungen sollten rund 30 Milliarden Euro in die Fertigungsstätten investiert werden, ein Drittel davon sollte von deutschen Steuerzahlern kommen.

Lindner: Mittel für den Bundeshaushalt reservieren

Die nun angekündigte Verschiebung dürfte eine Diskussion um diese Subventionen auslösen. Finanzminister Christian Lindner schrieb am Montag auf der Plattform X: „Alle nicht für Intel benötigten Mittel müssen zur Reduzierung offener Finanzfragen im Bundeshaushalt reserviert werden. Alles andere wäre keine verantwortungsbewusste Politik.“ Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte: “Wir werden jetzt gemeinsam beraten, wie wir mit nicht genutzten Mitteln sinnvoll und sorgsam umgehen und sie zum Wohle des Landes einsetzen.“

Der zumindest vorläufige Investitionsstopp in Magdeburg kommt nicht ganz überraschend. In den vergangenen Wochen gab es schon Spekulationen, dass das Projekt sich verzögern oder sogar ganz aufgegeben werden könnte. Der 1968 gegründete Konzern steckt in einer der größten Krisen in seiner Geschichte, er wies zuletzt Umsatzrückgänge und hohe Verluste aus. Anfang August verkündete er schon ein umfangreiches Sparprogramm, zu dem der Abbau von 15.000 Stellen gehören soll. Auch die Dividende soll gestrichen werden.

„Weitere drastische Schritte notwendig“

Vorstandschef Gelsinger hat aber in der Zwischenzeit schon angedeutet, dass weitere drastische Schritte notwendig sein könnten. In der vergangenen Woche gab es ein mehrtägiges Treffen mit dem Verwaltungsrat, um über die Zukunft zu beraten.

Das Ergebnis ist nun, dass die Expansionsprojekte außerhalb des Heimatmarktes gebremst werden. Neben Deutschland und Polen soll es auch Abstriche bei einem Vorhaben in Malaysia geben. Bauvorhaben in US-Bundesstaaten wie Arizona und Ohio sollen indessen unverändert weiterverfolgt werden. Allerdings hat sich das Projekt in Ohio ebenfalls schon deutlich verzögert. Auch in den USA kann Intel auf staatliche Unterstützung zählen. Der Konzern soll fast 20 Milliarden Dollar an Subventionen und Krediten im Rahmen des „Chips and Science Act“ bekommen. Zur Ankündigung dieser Staatshilfen kam US-Präsident Joe Biden im März persönlich zur Baustelle eines Werks in Arizona. Auch die Subventionen in den USA sind noch nicht geflossen. Sie sind an das Erreichen bestimmter Meilensteine geknüpft.

Neue Struktur für Intel Foundry

Gelsinger schrieb in seinem Brief am Montag, er wolle Intel „schlanker, einfacher und effizienter“ machen. „Dies ist die bedeutendste Transformation von Intel seit mehr als vier Jahrzehnten,“ schrieb er. Neben dem Aufschub von Investitionen verkündete er noch andere Entscheidungen. So soll die Sparte Intel Foundry, mit der das Unternehmen jenseits seines eigenen Bedarfs im Auftrag für externe Kunden Chips produzieren will, zu einer unabhängigen Konzerneinheit werden. Damit werde eine Trennung vom Rest des Geschäfts geschaffen, die im Interesse von Kunden und Lieferanten sei. Zudem habe Intel mehr Flexibilität, sich nach externen Finanzierungsquellen für die Sparte umzusehen. Gegenüber dem Fernsehsender “CNBC“ beteuerte Gelsinger aber, dass Intel an dem Geschäft festhalten wolle. Die organisatorische Trennung könnte etwaigen Kunden zumindest ein Stück weit die Stück weit die Sorge nehmen, dass Intel seinen eigenen Chips in der Fertigung Priorität gibt.

Gelsinger hat Intel Foundry zu einem zentralen Teil seiner Strategie gemacht, nachdem er Anfang 2021 den Vorstandsvorsitz übernommen hat. Er will damit Intel damit zu einem Konkurrenten des taiwanischen TSMC-Konzerns machen, der Chips für Unternehmen wie Nvidia oder Advanced Micro Devices (AMD) fertigt. Bislang hat die Sparte aber noch nicht allzu viele Kunden gewonnen, und sie fährt hohe Verluste ein. Am Montag gab es allerdings eine Erfolgsmeldung, als Intel eine Ausweitung der Partnerschaft mit Amazon Web Services (AWS) ankündigte, der auf Cloud Computing spezialisierten Tochtergesellschaft des Onlinehändlers Amazon. Demnach wird Intel künftig mit der nächsten Generation seines Produktionstechnologie Halbleiter für AWS herstellen. Gelsinger beschrieb dies als Vertrauensbeweis für das neue Fertigungsverfahren. Den Wert der Vereinbarung mit AWS bezifferte Intel auf mehrere Milliarden Dollar.

Intel kündigte am Montag außerdem an, sich weitere 3 Milliarden Dollar aus dem Chips and Science Act von der amerikanischen Regierung gesichert zu haben. Dies soll im Rahmen eines speziellen Programms des Verteidigungsministeriums geschehen.

Der im August angekündigte Personalabbau kommt nach Gelsingers Angaben schnell voran. Intel habe die Zielmarke von 15.000 Arbeitsplätzen, die wegfallen sollen, schon zu mehr als der Hälfte mit Vereinbarungen zur Frühpensionierung und mit Abfindungsangeboten erreicht. Intel wolle außerdem seinen Immobilienbestand um zwei Drittel reduzieren.

Aktie hat massiv an Wert verloren

Intel hat zuletzt an der Börse dramatisch an Wert verloren. Seit Jahresbeginn sank der Aktienkurs um mehr als 50 Prozent. Allein nach der Ankündigung der schwachen Zahlen und des Entlassungsprogramms im August gab es an einem einzigen Tag einen Absturz um 26 Prozent. Die Marktkapitalisierung ist unter 90 Milliarden Dollar gefallen. Der Wettbewerber Nvidia wird derzeit mit fast 2,9 Billionen Dollar bewertet, Intels lange abgeschlagener Rivale Advanced Micro Devices liegt bei fast 250 Milliarden Dollar. Nvidia und in geringerem Maße AMD profitieren von Chipsystemen, die sich für Anwendungen rund um Künstliche Intelligenz eignen. Intel hat auf diesem Gebiet gewaltigen Rückstand, und die Nachfrage nach den gewöhnlichen Chips des Unternehmens hat darunter gelitten, dass Kunden lieber KI-Halbleiter der Konkurrenz wollen. Die Nachrichten am Montag kamen allerdings gut an. Im nachbörslichen Handel stieg der Aktienkurs zeitweise um mehr als 8 Prozent.