EU-Energiebericht: Europa hinkt beim Ausbau dieser erneuerbaren Energien zurückschauend
Die hohen Energiepreise bremsen die Europäer im Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten und China aus. Strom kostet in der EU zwei- bis dreimal mehr als in den USA, Erdgas sogar vier- bis fünfmal, hat der Sonderbeauftragte Mario Draghi in seinem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit eben erst klargestellt. Die Antwort der Europäischen Kommission darauf ist ein schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energiequellen. Hier hinke die EU hinterher, verdeutlichte Energiekommissarin Kadri Simson am Mittwoch bei der Vorstellung des Jahresberichts zum Stand der Energieunion. Nur wenn die EU ihre Abhängigkeit von der Einfuhr fossiler Energie weiter senke und zugleich den Energiemarkt vertiefe, könne sie international mithalten. „Die kommenden fünf Jahre werden entscheidend sein“, hob Simson hervor.
Wie aus dem Bericht hervorgeht, hat die EU beim Ausbau von Wind- und Sonnenenergie zwar große Fortschritte gemacht. Die Windkraft habe Gas als zweitwichtigste Stromquelle hinter der Atomkraft abgelöst. Im ersten Halbjahr 2024 hätten die erneuerbaren Energiequellen mehr als 50 Prozent des Stroms in der EU erzeugt. 2023 seien Solaranlagen mit einer Kapazität von 56 Gigawatt installiert worden, ein neuer Rekord. Das seien wichtige Schritte in die richtige Richtung, heißt es in dem Bericht.
Die EU müsse in den kommenden Jahren aber sehr viel mehr tun, wenn sie das Ziel erreichen wolle, den Anteil der erneuerbaren Quellen am Gesamtenergieverbrauch auf 42,5 Prozent zu steigern. Zuletzt waren es 23 Prozent. So habe sie in ihrer Solarstrategie das Ziel ausgerufen, bis 2030 mindestens 700 Gigawatt Kapazität zu installieren. Bis Ende 2023 seien es jedoch nur 263 Gigawatt gewesen. Der Anteil erneuerbarer Quellen wachse im Übrigen vor allem im Stromsektor. Im Verkehr und beim Heizen und Kühlen von Gebäuden bleibe der Fortschritt vergleichsweise bescheiden. Der Markt für Wärmepumpen etwa habe wegen der gesunkenen Gaspreise und des Rückgangs der Bautätigkeit zuletzt stagniert.
Anteil von russischem Gas gesunken
Positiv beurteilte Simson die Entwicklung der Gaseinfuhr aus Russland. Der Anteil von russischem Gas an der Einfuhr sei von 45 Prozent 2021 auf 18 Prozent im Juni 2024 gesunken. Die EU sei damit nicht mehr erpressbar, betonte Simson. Daran ändere auch der leichte Anstieg der Einfuhr aus Russland im ersten Halbjahr dieses Jahres nichts. Er sei auf niedrigem Niveau erfolgt. Zuletzt sei die Einfuhr im August zudem wieder gesunken. Die Hauptlieferanten für Gas sind inzwischen Norwegen und die USA. Norwegen liefert per Pipeline 34 Prozent der Einfuhr. Das von den Vereinigten Staaten per Schiff gelieferte verflüssigte Erdgas (LNG) entspreche 18 Prozent der europäischen Einfuhr.
Die EU arbeite daran, die Einfuhr von russischem Gas weiter zu reduzieren, sagte Simson. Das gelte auch für Staaten ohne Zugang zum Meer und damit zu LNG wie Österreich. Bezogen auf den gefährdeten Gastransit durch die Ukraine betonte die Estin, Ziel sei nicht, alternative Routen für die Lieferung von Gas zu finden, sondern die Einfuhr weiter zu reduzieren. Der trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine geltende Vertrag zur Durchleitung von russischem Gas durch ukrainisches Gebiet läuft Ende Dezember aus. Die Regierung in Kiew hat wiederholt erklärt, dass sie den Vertrag nicht verlängern will. Das würde allen voran Österreich treffen, das nach wie vor viel Gas aus Russland bezieht. Zuletzt lag der Anteil russischen Gases bei 60 Prozent.
Die Erdgasspeicher der EU waren nach dem Bericht schon am 19. August zu 90 Prozent gefüllt. Die EU sei damit gut auf den kommenden Winter vorbereitet und habe ihre gesetzlich gesetzte Deadline 1. November klar unterboten, sagte Simson. Zur Verringerung der Abhängigkeit von Russland hat auch beigetragen, dass die EU die Nachfrage reduziert hat. Sie hat dabei das freiwillige Ziel von 15 Prozent übertroffen. Von August 2022 bis Mai 2024 sank der Verbrauch um 18 Prozent. Das entspricht rund 138 Milliarden Kubikmetern. Am stärksten ging der Verbrauch in den skandinavischen Staaten und auf dem Baltikum zurück. Deutschland lag mit 17 Prozent leicht unter dem europäischen Durchschnitt.