So ist die Sicherheitslage vor dieser Fußball-EM

Vor wenigen Tagen veröffentlichte der „Islamische Staat“ die neueste Ausgabe seines Online-Magazins „Voice of Khorasan“. Auf dem Cover ist eine Bildcol­lage zu sehen, ein bewaffneter Kämpfer vor einem Fußballstadion. Daneben stand übersetzt: Wo willst du (es) tun? Berlin – Dortmund – München. Dann schieße das letzte Tor.“

Das klingt wie eine eindeutige Anschlagsdrohung auf ein Spiel während der Fußball-Europameisterschaft, die am 14. Juni in Deutschland beginnt. Und ja, die Gefahr sei auch da, heißt es aus Sicherheitskreisen. Trotzdem bilden solche Aufrufe des IS eher ein Grundrauschen. Denn die Gefahr islamistischer Anschläge besteht in Deutschland immer. Ein sportliches Großereignis wie die EM vergrößert die abstrakte Gefahr aber deutlich. Der Aufruf von „Voice of Khorasan“ ist auch in englischer Sprache verfasst worden. Die Unruhe soll steigen.

Die EM ist ein sportliches Großereignis, aber ein noch größeres sicherheitspolitisches. Es wird mit 2,7 Millionen Stadionbesuchern gerechnet, dazu kommen zwölf Millionen Besucher der Fanmeilen und Public Viewings. Enorme Menschenmengen werden sich per Auto und Bahn durch das Land bewegen, 460 zusätzliche Flüge werden starten und landen. Ein solches Ereignis zieht Bedrohungen nahezu an. Gleichwohl heißt es übereinstimmend von den entscheidenden Sicherheitsbehörden: Es gibt keine konkreten Hinweise auf eine Bedrohung.

Urlaubssperre rund um die EM

Seit Jahren laufen die Vorbereitungen auf die EM. Nun, in der heißen Phase, trifft sich die entscheidende Runde für die Sicherheit jeden Dienstag für eine Stunde. Mit dabei sind Bundesinnen­ministerium, die Bundespolizei, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt.

Es werden viele denkbare Szenarien durchgesprochen. Wie würde die Evakuierung eines Stadions ablaufen? Und wie stellt man dabei die Sicherheit des Bundeskanzlers und anderer Spitzenpolitiker und Staatsgäste sicher? Wann schießt man eine am Himmel schwebende Drohne ab? Wie geht man mit Hooligans um? Wie trennt man rivalisierende Fan-Gruppen voneinander? Welche Cyberangriffe planen russische Akteure? Fährt ein vom IS motivierter Einzeltäter mit dem Auto in eine Menschenmenge? Da erscheint die Frage, ob es Starkregen geben könnte, fast harmlos.

Die Sicherheitsbehörden orientieren sich an der WM im eigenen Land im Jahr 2006. Doch es ist auch klar: Alles ist anders als 2006. Damals war die Sicherheitslage vergleichsweise ruhig. Nun sind die Spannungen zwischen pro-israelischen und pro-palästinensischen Gruppen auch auf deutschen Straßen deutlich spürbar, und Russland führt weiterhin seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der Schutz deren Nationalmannschaft ist wiederum auch eine anspruchsvolle Aufgabe für die Sicherheitsbehörden. In dem Fall für die hessischen, weil die ­Ukrainer ihr Basislager in der Nähe von Wiesbaden aufschlagen werden.

Das Bundeskriminalamt erstellt laufend Lagebilder zur Sicherheitssituation im Land, auf die wiederum alle anderen Behörden zugreifen können. In Neuss in Nordrhein-Westfalen hat das IPCC seine Arbeit aufgenommen, in dem vor allem die internationale Zusammenarbeit koordiniert wird.

Auf die Bundespolizisten kommt während des Fußballturniers eine enorme Belastung zu. Rund um die EM wurde eine Urlaubssperre verhängt, Zwölf-Stunden-Schichten sind stattdessen angesagt. Die EM wird der größte Einsatz der Bundespolizei seit ihrem ­Bestehen. Zwei Millionen Überstunden werden wohl anfallen. Jeden Tag werden 22.000 Beamte auf den Straßen unterwegs sein. Auch, um die Grenzen zu sichern. Wann genau angefangen wird, verstärkt zu kontrollieren, sagt die Behörde nicht. Man ist sich aber der Gefahr bewusst, dass potentielle Täter schon jetzt einreisen könnten. Unterstützt werden die Bundespolizisten durch mehrere Hundert Beamte aus anderen europäischen Staaten. Das Kalkül dahinter: Wer Polizisten in der eigenen landestypischen Uniform sieht, ist friedlicher.

Spiele mit Brisanz

Um nicht zu große Reiseströme im Land zu verursachen, hat man die Gruppenspiele jeweils in eine Region gelegt. Bei einigen Spielen treffen rivalisierende Fangruppen aufeinander, etwa wenn Schottland gegen Ungarn spielt. Andere Länderspiele werden wohl harmloser sein als so manches Drittligaspiel. Zur Beobachtung der ausgeprägten deutschen Hooliganszene werden szenekundige Beamte im Einsatz sein.

Für die Sicherheit an den Spielorten selbst sind die Landespolizeien zuständig. Jedes Stadion wurde auf eventuelle Gefahren hin überprüft. In Frankfurt etwa bereitete ein S-Bahn-Tunnel den Behörden Sorgen. Erinnerungen an das Loveparade-Unglück wurden wach. Die Polizei wird die Besucher wohl langsamer und geordnet aus dem Stadion lotsen, so sollen Massenpaniken verhindert werden.

Und dann mischt die UEFA als Organisatorin der Europameisterschaft auch noch mit. Sie hat viel Erfahrung im Schützen von großen Turnieren, vor allem, wenn es um die IT-Sicherheit geht. Eine der größten Befürchtungen ist für die UEFA offenbar, dass Fans mit falschen Tickets über den Tisch gezogen werden könnten.

Source: faz.net