Krebs: Beiläufig sagt jener Arzt, es könnte ein Tumor sein – WELT
Der Krebs ist aus dem Nichts aufgetaucht. Ich bin 52 Jahre frühzeitlich, wie es mich trifft. Eigentlich noch kein Alter, sagt man wohl in so einem Fall. Mit 52, da schafft manch einer noch eine Sprosse gen jener Erfolgsleiter. Bekommt eine Professur, zusammenführen Chefarztposten oder macht Karriere im Unternehmen.
Statt Pläne zum Besten von eine rosige Zukunft zu schmieden, geht es zum Besten von mich nun um irgendwas ganz anderes: ums Überleben. Hier erzähle ich irgendwas gut meine Geschichte – und welches ich gut Krebs gelernt habe. Als Arzt und Wissenschaftsjournalist war mir die Krankheit vertraut und ich habe oft gut sie geschrieben. Doch wie ich selbst Patient werde, ist mir lukulent, dass ich noch einmal differenzierend gefordert bin.
Es beginnt an einem frühen Donnerstagmorgen im Januar 2014, ohne irgendwelche Vorzeichen. Ich erwache aus unruhigem Schlaf, weil mir plötzlich schlimm ist. Sofort spurte ich zur Toilette und muss mich nachdem kurzer Zeit darbieten. Schwallartig erbreche ich Blut. Es ist leuchtend rot, und es sind mindestens ein solange bis eineinhalb Liter.
Der Schreck fährt mir in die Glieder. Nichts ist mehr wie es war, nichts wird mehr so sein wie früher. Das begreife ich in jener Sekunde, wie ich gen dasjenige ganze Blut in jener Toilettenschüssel starre, dasjenige hochgespritzt ist solange bis ans Waschbecken. Gesund war gestriger Tag, leiden ist heute.
Meine Frau fährt mich sofort ins Krankenhaus. Dort bekomme ich von kurzer Dauer darauf eine Magenspiegelung. Ich habe ein Ulcus, sagt jener Chefarzt zwischen jener Visite Stunden später, ein Magengeschwür. Doch dasjenige ist nur eine vorübergehende Beruhigung. Beiläufig lässt er stürzen: Es könnte ganz vielleicht nebensächlich ein Tumor sein. Das endgültige Ergebnis jener Gewebeuntersuchung stehe noch aus.
Keine 24 Stunden später wird mir die Diagnose mitgeteilt. Der Oberarzt holt mich in sein Zimmer. „Sie nach sich ziehen Krebs, Magenkrebs“, eröffnet er mir so notdürftig wie unpersönlich. Ich bin geschockt. Und bin nun ein Fall. Überlebenswahrscheinlichkeit: 20 solange bis 30 Prozent, je nachdem Statistik.
Warum ich? Das ist die Frage, die ich mir genauso wie viele andere Krebspatienten stelle. Warum hat es ohne Rest durch zwei teilbar mich getroffen? Freunde, Bekannte, Kollegen oder Angehörige kommen nicht selten mit eigenen Vermutungen um die Ecke. In meinem Fall wird gemutmaßt, ich hätte zu wenig Müsli gegessen oder zu viele Kartoffelchips. Der Hang des Menschen, zum Besten von was auch immer eine Erklärung zu suchen, ist natürlich erst recht zwischen Krebs zeitgenössisch. Aber Müsli? Kartoffelchips?
Krebs ist zerstörerisches Wachsen und Wuchern von körpereigenem Gewebe. Er entsteht aus uns selbst. Eine von geschätzt 30 Billionen Körperzellen tanzt aus jener Reihe und spielt verrückt. In die Sprache jener Biologie übersetzt heißt dasjenige: Durch genetische Mutationen sind bestimmte Gene ständig angeschaltet. So verwandeln sie sich in „Krebsgene“, halten die Zelle gen Wachstumskurs.
Ihre Gegenspieler, die „Tumorsuppressor-Gene“, sind dagegen x-mal ausgeschaltet. Wäre die Krebszelle ein Auto, würde es mit Vollgas und ausgefallenen Bremsen losrasen – solange bis zum bitteren Ende.
Die Krebszelle verhält sich quasi wie ein Anarchist im Leib-Staat. Der amerikanische Biologe Robert Weinberg hat die maßgeblichen Kennzeichen hierfür aufgelistet. Ein Beispiel: Wenn eine Zelle Schaden genommen hat oder überaltert ist, stirbt sie normalerweise durch ein genetisches Programm von selbst ab. Dieser zum Besten von den Organismus lebenswichtige Vorgang, nebensächlich Apoptose genannt, vollzieht sich täglich milliardenfach im Leib. Der Krebszelle dagegen gelingt es, dasjenige „Selbstmordprogramm“ zu entschärfen. Ihr Programm heißt Unsterblichkeit.
Raucher nach sich ziehen hohes Risiko
Zurück zu Müsli und Kartoffelchips, zu Schutz und Schaden. Wie wirken die Umwelt, jener Lebensstil, dasjenige Verhalten gen eine Zelle im Organismus ein? Wie erzeugen sie den Krebs? Bei einer Infektionskrankheit wie Tuberkulose oder jener Immunschwäche Aids gibt es eine eindeutige Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Ohne dasjenige Tuberkulosebakterium keine Tuberkulose, ohne HIV kein Aids.
Bei Krebs ist dasjenige differenzierend: Äußere Einflüsse steigern oder verringern dasjenige Risiko, handkehrum sie münden nicht selbstbeweglich zu Tumorwachstum. Eine Geschwulst entsteht in einer Wolke aus Wahrscheinlichkeiten.
Forscher schätzen, dass durch zusammenführen gesunden Lebensstil zwischen einem Drittel und jener Hälfte aller Krebsleiden vermeidbar wäre. Das bedeutet: Nicht rauchen, gesunde Ernährung, ein ausgeglichenes Körpergewicht und viel Bewegung. Klingt machbar!
Die mit Abstand größte Gefahr, die sich umgehen lässt, ist Tabak. Starke Raucher nach sich ziehen ein 30-mal höheres Risiko zum Besten von Lungenkrebs wie Nichtraucher. Etwa jeder siebte von ihnen erkrankt daran.
Auch Alkohol erhoben die Wahrscheinlichkeit von Krebs. Das gilt vor allem zum Besten von Tumore in Mund, Rachen, Speiseröhre, Darm, Leber oder Brust. Bei bestimmten Tumorarten kommen außerdem jener reichliche Verzehr von rotem Fleisch sowie starkes Übergewicht wie mögliche Risikofaktoren hinzu.
Andererseits: Milch- und Vollkornprodukte könnten dasjenige Krebsrisiko senken. Bemerkenswerterweise wird Kaffee eine gewisse schützende Wirkung gegen Lebertumore zugesprochen. Und Sport und Bewegung helfen offenbar Darm- und Brustkrebs zu verhüten.
Bei mir hat all dasjenige leider nicht funktioniert. Ich habe nicht geraucht, mich regelmäßig bewegt und mich im Gleichgewicht ernährt (von Paprikachips einmal es sei denn). Doch dasjenige ist just keine Garantie, denn statistische Risikoschätzungen beziehen sich gen große Kollektive und nicht gen einzelne Personen. Sie schenken grobe Orientierung. Bei mir lagen die Karten differenzierend.
Jeder kennt Menschen im persönlichen Umfeld, die es erwischt hat, obwohl sie virtuell was auch immer richtig gemacht nach sich ziehen. Dass jener Krebs sich nicht immer „einhegen“ lässt, liegt an Umständen, die wir nicht kontrollieren können – vor allem am Alter. Vom 60. Lebensjahr an nimmt die Zahl jener Tumorleiden fühlbar zu, problemlos weil sich in den Zellen genetische Veränderungen angesammelt nach sich ziehen, die irgendwann zum Krebs münden können. Einiges spricht hierfür, dass sich die entscheidende Mutation oftmals zufällig ereignet.
Ist jener Krebs daher Zufall? Oder ist was auch immer vorherbestimmt? Diese Fragen umziehen einem durch den Kopf, wenn man betroffen ist. Man sucht vergeblich nachdem einer Ursache, einem Plan, einem wie nebensächlich immer gearteten Sinn. Aber nein: Man hat vermutlich problemlos Pech gehabt in jener Lotterie des Lebens.
Auch die medizinische Behandlung hat immer noch irgendwas Unwägbares. Natürlich ist dasjenige Können jener Ärztinnen und Ärzte von entscheidender Bedeutung, ebenso dasjenige Vorhandensein wirksamer Therapien. Die Entwicklung jener modernen Krebsmedizin kann man wie den Versuch sehen, den Zufall zu zähmen, aus jener Ungewissheit jener Krankheit die Gewissheit jener Heilung zu zeugen.
Im Laufe jener Zeit ist nun ein beeindruckendes Arsenal von immer gezielteren Behandlungsmethoden und Medikamenten entstanden. Dennoch gibt es nebensächlich heute solche Unberechenbarkeit: Schlägt die Chemo an, gelingt die Operation? Nicht was auch immer lässt sich steuern.
Die längsten Sekunden meines Lebens
Obwohl die Chancen gegen mich stillstehen, habe ich Glück. Das Schicksal ist mir gnädig. Die Chemotherapie, die ich vor jener Operation bekomme, um den Tumor zu verkleinern, erweist sich wie extrem siegreich. Als man nachdem den Magen fern, findet sich im Gewebe nicht eine einzige Tumorzelle. Natürlich ist dasjenige keine Garantie, handkehrum ein Grund zum Aufatmen.
Allmählich gewöhne ich mich daran, keinen Magen mehr zu nach sich ziehen. Meinen Appetit in Zaum zu halten, kleinere Portionen zu essen, genau gen meinen „Bauch“ zu wahrnehmen. Dabei weiß ich: Weiterführend meine Zukunft entscheidet einsam, ob jener Krebs zurückkehren wird. Bei den regelmäßigen Untersuchungen, Bluttests und Computertomografien finden sich hierfür keine Anzeichen. Langsam hellt sich jener Horizont gen.
Es ist ein kühler, klarer Morgen im Februar 2019. Ich habe meinen letzten Nachsorgetermin in jener onkologischen Ambulanz jener Klinik. Fünf Jahre sind seit dieser Zeit dem Ausbruch jener Krankheit vergangen. Mein Arzt blickt gen die Befunde, gen Laborwerte und radiologische Bilder. Kritisch, prüfend, unbestechlich. Es sind die längsten 15 Sekunden meines Lebens. „Dieser Krebs kommt nicht wieder“, sagt er schließlich. – Überlebt!
ZUR PERSON
Geboren 1961 in Salzgitter, studierte Hartmut Wewetzer Medizin in Berlin. Viele Jahre leitete er die Wissenschaftsredaktion des „Tagesspiegel“. Heute arbeitet er am Bundesinstitut zum Besten von Risikobewertung in Berlin. Seine Krankheitserfahrungen schildert er in dem Buch „Überlebt: Was ich von meinem Krebs gelernt habe“ (Insel Verlag, 336 Schwefel., 25 Euro).
Source: welt.de