366 Gedichte – Petrarcas Schaltjahr pro die Liebe

Kein Valentinstag ohne Italiener. Es war Francesco Petrarca, der vor 700 Jahren den Minnesang hinter sich gelassen und das lyrische Ich der Liebe erfunden hat. Seine Botschaft: Zuneigung fühlen – das geht nur auf eine Weise.
Am Anfang war das A wie amore. Wer in seinem Leben jemals eine italienische Partnerin hatte, eventuell sogar als Jugendliebe, wird die honigsüße Legende sein Leben nicht mehr los: die fixe, etwas klebrige Idee, dass all das die Italiener erfunden haben – die Liebe, die Liebesschlösser, deren Brauch sich seit Federico Moccias Rom-Romanze „Tre metri sopra il cielo“ (1992) breitmacht und Brücken weltweit an den Rand ihrer Statik bringt, und in nuce auch den Valentinstag.
Der steht uns jetzt wieder ins Haus, sehr zur Freude der Blumen-, Süßwaren- und Schmuckindustrie. Nichts anderes als ein „Italiener“ war San Valentino, der am 14. Februar im Jahr 269 starb und seither als Märtyrer verehrt wird – als Heiliger ist er „zuständig“ für Epilepsie, Wahnsinn, Jugend und gute Verlobung. Man beachte die Kombination.
Es gibt bei allem, was die Populärkultur uns über romantische Liebe weismachen will, eine ernüchternde Erkenntnis: Die unerfüllte Liebe ist künstlerisch viel ertragreicher als die erfüllte. Der erste Mensch, der aus diesem Gefühl heraus große Dichtkunst formte, war der Italiener Francesco Petrarca. Vor genau 700 Jahren, zwischen 1320 und 1326, studierte er in Bologna, der ältesten Universität Europas.
Weil er auf Jura aber nicht wirklich viel Lust hatte, probierte er sich in Lyrik aus. Damals gehörte es zum guten Ton, den dolce stil nuovo (den süßen neuen Stil) zu beherrschen, eine Art Verfeinerung der provenzalischen Troubadourlyrik, die als Minnesang europaweit Verbreitung gefunden hatte. Was der Dichter Petrarca schuf und was ihn zum ersten modernen Menschen des Kontinents machte, war das Vermögen, die Liebe nicht nach Schema F zu besingen. Sondern die Illusionen, Hoffnungen, Sehnsüchte, Enttäuschungen eines liebenden Ichs als ganz individuelle Erfahrung darzustellen. Petrarca dichtete auch nicht auf Latein, der damals üblichen Schriftsprache, sondern in der Volkssprache.
Eine Sammlung von 366 Liebesliedern an und über Laura, quasi für jeden Tag eines Schaltjahrs eines, hat Petrarca der Nachwelt mit seinem Liederbuch „Canzoniere“ hinterlassen. Genau gesagt sind es 317 Sonette, 29 Kanzonen, neun Sextinen, sieben Balladen und vier Madrigale. Alle Gedichte handeln von Laura, die es in echt womöglich nie gegeben hat, aber die sich so echt anfühlt wie der Liebeskummer, den jeder kennt, der schon mal verliebt war. Laura ist im Grunde der erste Lovesong der Welt, noch im „Girl from Ipanema“ tönt Petrarca nach.
Die beste Petrarca-Übersetzung, nein Nachdichtung, ins Deutsche stammt von Leo Graf Lanckorónski, einem Schlesier, der Jura studierte wie Petrarca und der in Frankfurt am Main als Richter tätig war, bis er 1937 von den Nazis seines Amtes enthoben wurde, weil er seine Liebesheirat mit einer Jüdin nicht lösen wollte. Er nutzte den erzwungenen Ruhestand und übersetzte mit seiner Frau Maria Gräfin Lanckorónska: Petrarca.
Source: welt.de