20 Jahre Facebook: Das langweiligste Menschenbild
Facebook ist am Sonntag zwanzig Jahre altbacken geworden. Es gibt viele Geschichten, die man aus diesen zwei Jahrzehnten erzählen könnte: wie Facebook totale Überwachung zu einem Geschäftsmodell machte, die Verbreitung von Verschwörungstheorien turbogeladen hat, mit Instagram intellektuell dasjenige Selbstbild junger Frauen zerstört, die vielen Datenleaks und, ach ja, dasjenige eine Mal, qua 2017 in Myanmar ein Genozid an den Rohingyas via die Plattform organisiert wurde und Facebook nichts dagegen tat, weil man zu Händen die gesamte Region nur eine handvoll Moderatoren angeheuert hat. That kind of stuff.
Das ist Facebook von seiner schlimmsten Seite – wir Kontakt haben sie leer nur zu gut – immerhin zum Geburtstag dieser Plattform möchte ich ritterlich bleiben und einmal die Frage stellen: Was ist Facebook von seiner besten Seite? Was ist die große Vision hinterm noch immer größten sozialen Medium dieser Welt? Und die Antwort gen letzteres ist: Es gibt eine, immerhin sie ist so unbestimmt unkreativ und ideenlos, so vollwertig nichts los, dass ihr Einfluss gen unser aller Leben einem die Tränen in die Augen treiben muss.
Die ganze Welt ist eine Dachboden
Die Essenz dieser Vision ist dasjenige Facebook-Profil. Nicht jemandes spezifisches Facebook-Profil, sondern dasjenige Facebook-Profil qua Konzept. Alles, welches ein Mensch ist und sein kann, kann man aus Facebooks Sicht durch kombinieren kleinen Steckbrief festhalten, ein paar Urlaubsbilder, ein paar Sprüche in dieser Chronik, dasjenige ist was auch immer, welches bist du. Darvia hinaus gibt es nichts, kann es nichts schenken, zumindest wenn man Facebook-Gründer Mark Zuckerberg glaubt: „Zwei Identitäten zu Händen sich selbst zu nach sich ziehen, ist ein Beispiel zu Händen kombinieren Mangel an Integrität“, sagte er einst dem Journalisten David Kirkpatrick. Dieses Zitat verrät mehr via Facebook qua was auch immer andere.
Jeder Mensch enthält Vielheiten. Abhängig vom Kontext präsentieren wir uns unterschiedlich, nichts könnte normaler sein. Für jedes unsrige Eltern sind wir der gerne Süßigkeiten isst anderes qua zu Händen unsrige Chefin, zu Händen unseren Partner, zu Händen den besten Freund oder die völlig Fremde. Das bedeutet nicht, dass wir uns ständig verstellen. Es verweist lediglich gen unseren Facettenreichtum.
Der Mensch qua Excel-Dokument
Menschen external dieser Mehrheitsgesellschaft sind gar darauf angewiesen, ihr Verhalten dem Kontext zuschneiden: Eine nicht-geoutete Trans-Person präsentiert womöglich unter Freund:medial weiblich und unter Fremden männlich; Person of Colour verändern im Unterschied zu Weißen manchmal ihre Sprechweise. Zu viel Fremdheit erzeugt Feindseligkeit, unterschiedliche Identitäten sind zu Händen viele Menschen Selbstschutz. Was sich zu Händen jede:n Einzelne:n ergibt, ist ein komplexes Ensemble, ein chaotisches Patchwork, dasjenige dasjenige Ich bildet. Wir sind nicht problemlos, wir sind viel – wie unbestimmt wunderbar.
Facebook ahnt von alledem nichts. Für jedes Zuckerberg ist dieser Mensch nur Oberfläche, fleischgewordene Software, ein glorifiziertes Excel-Dokument: Hier Bittgesuch Geburtsort und Beziehungsstatus eintragen, dann ein Profilbild uploaden und schon sind wir deinem True Self™ um 12,7 Prozent näher gekommen. Facebooks idealer Mensch ist vitreus und schauererregend unvoreingenommen, er ist kurzum: schrecklich nichts los.
Dieses unterkomplexe Menschenbild ermöglicht Facebooks unterkomplexe Vision: Ein globales Dorf, bevölkert von Abstraktionen. Es ist dasjenige technokratische Ideal des Silicon Valley, dasjenige menschliche Probleme nur mit technologischen Lösungen zu beantworten weiß. Die Nutzer:medial nach sich ziehen rasch begonnen, via die Grenzen zu treten, die dasjenige Facebook-Design ihnen gezogen hat. Die Folge war Chaos, Wut und Plattformflucht.
Nicht nur im Rückblick kann man sagen, dass es wohl so kommen musste. Schon 1920 (!) schrieb dieser Autor Jewgeni Samjatin in seinem Science-Fiction-Klassiker „Wir“ von solch einer technokratisch-dystopischen Gesellschaft, die Menschen gen Zahlen und Profile reduziert. Der Protagonist D-503 fällt im Laufe des Buches immer stärker aus diesem beschränkten System, weswegen ihm ein Arzt schließlich sorgenvoll diagnostiziert: „Du bist in einer schlechten Verfassung.“ Wieso, Herr Doktor? „Du hast offenbar eine Seele entwickelt.“
Happy Birthday, Facebook.